Sorge vor neuen Abhängigkeiten: SPD-Abgeordnete fordern vom Kanzler staatliche LNG-Flotte und mehr Freihandel
Statt auf Gas aus Russland setzt die Ampel auf Flüssiggas. Hier drohen neue Risiken. Der Seeheimer Kreis will einen radikalen Schritt - und nicht nur hier.
Der Kanzler nennt es eine Zeitenwende, der Bundespräsident einen Epochenbruch. Eine zentrale Lehre ist, dass Deutschland nie wieder in solche Abhängigkeiten wie von Russland beim Gasbezug geraten darf. Olaf Scholz erlebt die veränderte Debatte beim Gegenwind wegen des geplanten Teileinstiegs des chinesischen Cosco-Konzerns bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen.
Knapp 100 SPD-Abgeordnete fordern den SPD-Kanzler nun wegen der zunehmenden geopolitischen Risiken auch zum Aufbau einer eigenen, staatlichen Flüssiggas-Tankerflotte auf. „Damit wir bei der Energieversorgung nicht von einer Ressourcenabhängigkeit in eine Transportabhängigkeit steuern, gilt es eine hochflexible LNG-Tankschiffflotte in staatlicher Hoheit aufzubauen“, heißt es einem Positionspapier des Seeheimer Kreises, das dem Tagesspiegel vorliegt.
Der Seeheimer Kreis ist der konservative Flügel in der SPD-Bundestagsfraktion, 91 Abgeordnete gehören ihm derzeit an, darunter der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil. Derzeit entstehen als Konsequenz aus den ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland an den deutschen Küsten mehrere Flüssiggas-Terminals.
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Zum Problem entwickelt sich aber, dass die Frachtraten der LNG-Tanker teils massiv gestiegen sind und dies entsprechend den Gasimport aus anderen Quellen teils sehr teuer macht, eine Gefahr gerade auch für die deutsche Industrie. Zudem drohen hier neue Abhängigkeiten, etwa von asiatischen Ländern mit entsprechenden Tankerkapazitäten, derzeit gibt es rund 680 LNG-Tanker weltweit.
Es gehe zudem darum, dass eine staatliche Flotte nicht nur Flüssiggas (LNG - Liquefied Natural Gas) transportieren könne, sondern künftig auch Wasserstoff-Derivate wie Methanol und Ammoniak, betont der Seeheimer Kreis in dem Positionspapier mit dem Titel „Transformation unserer Industrie- und Handelspolitik“.
„Nur durch den Besitz eigener maritimer Transportkapazitäten im Energiebereich und bei der Grundstoffversorgung kann eine nachhaltige Versorgungssicherheit gewährleistet werden“, betonen die SPD-Abgeordneten an die Adresse von Kanzler Olaf Scholz. „Der Aufbau einer LNG-Flotte sollte primär über Werft- und Produktionskapazitäten in Deutschland umgesetzt werden. Der Schiffbaustandort Deutschland wird damit massiv gestärkt.“
Seeheimer fordern auch Neuanlauf für Freihandelsabkommen mit USA
Zudem machen sich die im Seeheimer Kreis organisierten SPD-Abgeordneten für einen Neuanlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA stark. „Zur Neuaufstellung unserer Handelspolitik gehört ein neues Verständnis der Bedeutung von Freihandel“, betonten sie.
Jahrelang stritt die SPD über das Ceta-Abkommen mit Kanada und die Partei stellte sich gegen das TTIP-Freihandelsabkommen mit den USA. Auch Kanzler Scholz ließ zuletzt angesichts der Umwälzungen durch den russischen Krieg in der Ukraine die deutliche Bereitschaft zu einem Neuanlauf für ein Abkommen mit den USA erkennen.
SPD-Linke und Grüne sehen das skeptisch
„Wir brauchen ein umfassendes Freihandelsabkommen mit den USA“, erhöht der Seeheimer Kreis nun den Druck auf den linken Flügel der SPD und auf die Grünen. Darüber hinaus brauche es weitere Freihandelsabkommen gerade mit den demokratischen Ländern des globalen Südens.
„Der Klimaclub von Bundeskanzler Olaf Scholz bietet den richtigen Rahmen, um multilaterale, strategische Partnerschaften für Handel, Klimaschutz, Energie und Rohstoff zu vereinbaren“, betonen die SPD-Abgeordneten auch den politischen Nutzen in einer sich rasant verändernden Welt: „Wir wollen Freihandelsabkommen zukünftig aktiver dazu nutzen, uns mit unseren verbündeten Demokratien im beiderseitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interesse zu vernetzen.“
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