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Potsdam-Mittelmark: Vehement gelassen

Die Kleinmachnower SPD wollte Walter Haase als Gemeindevertreter verabschieden – doch der Agenda-Pionier predigt weiter

Die Kleinmachnower SPD wollte Walter Haase als Gemeindevertreter verabschieden – doch der Agenda-Pionier predigt weiter Von Peter Könnicke Kleinmachnow. Im Sport, im Biathlon etwa, wird so etwas ein Verfolgungsrennen genannt: Wenn jemand versucht, von einem hinteren Platz nach vorn zu kommen. Nun ist Kleinmachnow weder ein Wintersportort, noch ist Walter Haase mit 73 Jahren ein ambitionierter Biathlet. Doch sein Sprung vom 26. Platz der SPD-Kandiadtenliste unter die sieben Sozialdemokraten, die im Oktober ins Gemeindeparlament gewählt wurden, gilt es beachtliche Leistung. „Ein Wunder, nicht wahr“, bemühte Haase zunächst einen überirdischen Erklärungsversuch. Dabei sind die Gründe seiner Wahl wie bei keinem anderen gewählten Gemeindepolitiker im wahrsten Sinn auf der Erde zu finden: Haase gilt in Kleinmachnow als vehementer, mitunter penetranter Streiter für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. „Ich predige“, sagt er selbst. Als „grünes Gewissen“ in der bunt gemischten Gemeindevertretung der vergangenen fünf Jahre hat sich Haase immer dann ins Gespräch gebracht, wenn er Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Grün-Ausgleich- und Ersatz zu wenig beachtet fand. Selbst zu „zivilem Ungehorsam“ rief er auf, als nach dem Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Kleinmachnower Schleuse über Maßnahmen zur Gegenwehr diskutiert wurde. „Ich predige ja schon ewig, dass wir uns nachhaltig entwickeln müssen. Bei den Wählern muss das Wirkung hinterlassen haben. „Wenn ich vom vorletzten Platz 20 Nobodys überhole, ist das doch ein sicheres Zeichen, dass manche Wähler überlegt haben“, analysiert Haase. „Es gibt doch eine Menge Leute, die wollen, dass Kleinmachnow wenigstens in dem Zustand, wie wir ihn heute haben, bestehen bleibt. Haase sieht sich in der SPD-Fraktion nicht als „ungeliebtes Kind“, das weit weggeschoben wurde – auf den 26. Listenplatz – und das man nun dennoch wieder mitmachen lassen muss. Er habe ein „gelassenes und lockeres Verhältnis“ zu den „jungen Wilden“, wie er die neuen Gestalter in der Orts-SPD einmal nannte. Er weiß: „Es macht keiner eine Revolution.“ Wenn jemand schreit, er will eine Revolution machen, „dann weiß ich aus meiner Lebenserfahrung, dass das nichts wird“. Es werde ganz schnell die Erkenntnis reifen, dass „wilde Anträge“ gar nichts bringen. „Alle wollen einen Stopp der Fehlentwicklungen. Und die kann man nur ganz behutsam umsteuern“, gibt sich Haase moderat. Dabei fühlte sich der ehemalige Präsident des Landesumweltamtes bislang selbst als Einzelkämpfer. Als Gründer der Agendabewegung zieht Haase nach sechs Jahren eine für ihn ernüchternde Bilanz. „Wir stehen immer noch am Anfang“, beklagt er. Den Ruf einer Agenda-Vorzeige-Kommune, den Kleinmachnow in der Mittelmark hatte, sieht Haase verhallt. Als sich die Gemeinde 1997 zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtete, „haben nicht alle begriffen, worum es da eigentlich geht“, vermutet Haase. Auch als vor drei Jahren die Gemeindevertretung ein Agenda-Leitbild zur Kenntnis nahm, blieb für ihn der Durchbruch zu einer nachhaltigen Entwicklung aus. Stattdessen habe er immer wieder hören müssen, dass das 1992 in Rio verabschiedete Aktionsprogramm wenig mit Gemeindepolitik zu tun habe. „Bei den Agenda-Gruppen ist Frust entstanden, weil sie mit ihren Intentionen und Vorschlägen kaum in die Umsetzung gekommen sind. Politische Entscheidungsträger haben uns abgeblockt. Viele haben den Mut verloren“, konstatiert Haase. Zwar gibt es in Kleinmachnow inzwischen ein Agenda-Büro, „doch hat das wenig Durchsetzungsrechte und -kräfte“. Die Versuche um ein Klimaschutzkonzept für die Gemeinde und die Ideen zum Schutz des Bannwaldes sieht Haase nicht umgesetzt, auch wenn sich inzwischen bemüht werde, bei neuen öffentlichen Gebäuden alternative Energiesyteme zu verwenden. Es sei kaum gelungen, die Agenda-Bewegung in die gemeindliche Arbeit einzubinden. Dabei könnte die Bewegung auf Empfehlung des Bürgermeisters vielmehr Aufgaben übernehmen, ist er überzeugt. Hoffnungsvoll taxiert Haase die neue Gemeindevertretung. „Da finden sich Leute, die in ihren Ankündigungen ganz anders im Sinne der Nachhaltigkeit argumentiert haben, als das vorher der Fall war.“ Im Umweltausschuss, dem Haase erneut vorsitzt, macht er mindestens unter der Hälfte der Mitglieder Interessenten für mehr nachhaltige Entwicklung aus. Für Haase ist Umweltschutz keine Pflichtaufgabe, sondern eine Einstellung. „Und da glaube ich an Besserung.“ Beim Löscheinsatz an den heißesten Brennpunkten des Ortes könnten die neuen Gemeindevertreter vortrefflich ihr Bemühen und nachhaltige Lösungen demonstrieren. „Am Seeberg könnte das am deutlichsten zum Ausdruck kommen“, meint Haase. Die Lösung des Engpasses an Schulplätzen muss für Haase drei Kriterien beinhalten: Sie muss sozial, ökologisch und wirtschaftlich sein. „Die Wege sind im wesentlichen beschrieben“, sagt Haase, „nun muss man sie konsequent beschreiten.“

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