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KulTOUR: Kutschenpost und Borus

Warum Saarmund das Stadtrecht aberkannt bekam

KulTOURWarum Saarmund das Stadtrecht aberkannt bekam Beelitz - Was ist eine schnöde Autohupe gegen ein preußisches Posthorn? Nichts. Ein solches ertönte am Sonntag mehrfach in der Berliner Straße zu Beelitz, als eine originale Reisekutsche einspännig zur Alten Posthalterei fuhr, die einzige weit und breit. Vor 280 Jahren wurde sie auf allerhöchsten Befehl in Betrieb genommen. Für Stadt und Museum Anlass genug, mit interessanten Extras, doch ohne Pomp und Gloria, zu feiern. Das liebevoll gestaltete Museum im Erdgeschoss, wo niemand ungehört eintreten oder entfleuchen kann, ohne ein (Post-)Signal zu lösen, war sowieso geöffnet. Was es sonst noch über den alten „Postkurs“ von Berlin via Saarmund, später Potsdam, nach Halle und Leipzig zu erzählen gibt, gestaltete der rührige „Arbeitskreis Postgeschichte Potsdam“ in einer Ausstellung über zwei Etagen mit gleichsam wissenschaftlicher Akribie. Wer hat schon je einen Großen Borus (preußischer Groschen bis 1796) gesehen, Kurantmünzen, „überall im Königreich gültig“, oder jenen Dreier, der nur den „mittleren Provinzen“ Zahlungsmittel war. Kutschbilletts aus dem 18. und 19. Jahrhundert, eine feinbestickte Geldbörse für vornehme Damen, zahlreiche Stempel, Belege über Chaussee-Gebühren (weit vor Stolpes Maut-Plänen) – postalische „Kommunikation“ war seit dem Großen Kurfürsten Chefsache. Der „Postvertrag“ von 1804 kam sogar ins preußische Grundgesetz! Unmittelbarer Anlass dieses Beelitzer Festes war die 280. Wiederkehr der Verlegung des ersten Pferdewechsels von Saarmund nach Beelitz, denn auf Geheiß des Sparsamkeits-Königs Friedrich Wilhelm I. hatte die Post von Berlin nicht mehr den Nuthe-Ort, sondern Potsdam zu tangieren. Traurig für Saarmund: Das derowegen zugesprochene Stadtrecht ward nach 1724 wieder aberkannt. Dafür kam Beelitz auf King-Size-Format: Goethe und Schiller machten hier Station, Hans Christian Andersen, auch der kleine Napoleon, nur etwas anders. Joachim Piltz, Vorsitzender des Arbeitskreises, hielt im Goethesaal der Posthalterei einen informativen Vortrag über die Abfolge der „preußischen Generalpostmeister und ihren Beitrag zur Vervollkommnung der Wege nach Leipzig“. So führte Paul von Fuchs 1699 mit seiner „Brandenburgischen Postordnung“ das königliche Beförderungs-Monopol ein. Strenges Regime für Angestellte und Passagiere: Er achtete sehr auf Pünktlichkeit, Verspätungen wurden drastisch bestraft. Passagieren war es verboten, Briefe oder Pakete für Dritte mitzunehmen, Schiffer und Fuhrleute mussten vor ihrer Fahrt nach Sachsen zur Leibesvisitation. Er legte Tarife für die Beförderung nach Entfernung und Gewicht fest, mithin die „erste Post-Taxe“, welche bis 1766 galt: Ein Brief bis 16 Gramm (1 Postlot) kostete „einen guten Groschen“, Amts- und geistliche Dienstsachen blieben portofrei, versiegelte Briefe waren den reitenden Boten vorbehalten. 1754 erfand man die Schnellpost dazu, auch nicht viel schneller als heute. Einem seiner Nachfolger, von Wartenberg, wies man „grenzenlose Misswirtschaft“ nach. Zur Strafe wurde er mit 33000 Talern jährlich frühpensioniert! Auch ein Herr von Kameke bemühte sich bis 1719 sehr in seinem Amt. Später wurden schmucke Postler-Uniformen eingeführt, damit die oft armen Beamten wenigstens in ihrem Dienst einen gepflegten und vertrauenswürdigen Eindruck auf die Kundschaft machten. Als die Dampfkraft aufkam, lud man die Pferdekutschen auf Waggons („Schienenkutschen“), das Prinzip Bahnpost, eben erst abgeschafft, war geboren. Kurz, die Vergangenheit lebt dichter an der Gegenwart als man denkt, und preußische Geschichte ist ohne die ihrer Post ganz undenkbar. Museumsleiter Manfred Fließ wies auf Forschungslücken der Potsdamer Postkutscherei zwischen 1724 und 1789 hin – wer helfen kann Die Ausstellung ist diese und nächste Woche jeweils Dienstag und Donnerstag von 10 bis 16 Uhr zu sehen. Sondervereinbarungen unter Telefon (033204) 39194.

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