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Was können die Obstbauern gegen die Folgen des Klimawandels tun? Annalena Baerbock (Grüne) informiert sich bei Obstbauer Stefan Lindicke über mögliche Maßnahmen.

© dpa/Michael Bahlo

„Klimaveränderungen merken wir jeden Tag“: Baerbock macht sich Bild von Obstanbau in Brandenburg

Die märkischen Obstbauern spüren den Klimawandel. Es gibt Maßnahmen, um gegenzusteuern. Aber die sind teuer. In Müncheberg wird an Strategien geforscht.

Stefan Lindicke hält eine aufgeplatzte Kirsche in der Hand. Die gelb-rote Frucht hat den Regen der letzten Tage abbekommen. Der ist für Kirschen – wie auch für alle anderen Obstarten – natürlich gut, allerdings nicht in der Zeit, in der die Kirschen reif sind. Dann führt der Regen dazu, dass die Früchte aufplatzen und nach einigen Tagen schimmeln. Die aufgeplatzte Kirsche ist noch genießbar. Aber das Problem ist der Verkauf. „Der Supermarkt schmeißt uns die rigoros raus“, sagt Lindicke. Und eine Zweitverwertung gebe es für die Süßkirsche eigentlich nicht.

Der Obsthof Lindicke in Werder (Havel) vermarktet überwiegend direkt. Daher ist er auf die Abnahme durch den Supermarkt nicht angewiesen. Aber auch er kann aufgeplatzte Kirschen nicht lange in seinem Hofladen, den Verkaufsständen oder auf Wochenmärkten verkaufen. Am Montag führte Stefan Lindicke Annalena Baerbock (Grüne) durch die Süßkirschenplantagen. Die Außenministerin und Abgeordnete, die in der Region ihren Wahlkreis hat, wollte sich mit Lindicke und weiteren Experten in Werder über Maßnahmen für mögliche Klimaanpassungen austauschen und herausfinden, wie die Obstbauern die Berlin-Brandenburger Region auch künftig mit regionaler Ernte versorgen können. 

Die „Knupperkirschen“, die festere der beiden Süßkirschenarten, ist bei den Berlinern und Brandenburgern besonders beliebt.
Die „Knupperkirschen“, die festere der beiden Süßkirschenarten, ist bei den Berlinern und Brandenburgern besonders beliebt.

© ZB/Jens Kalaene

Seit den 2000ern seien Klimaveränderungen für die Obstbauern deutlich spürbar, sagt Thomas Bröcker, Vorsitzender der Fachgruppe Obst im Gartenbauverband Berlin-Brandenburg. Die Betriebe hätten vermehrt mit Frost zu kämpfen. Auch Hagel sei in den vergangenen Jahren immer häufiger in Deutschland geworden, sagt Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau, auf dem Hof in Werder. Lindicke sagt: „Die Klimaveränderungen merken wir jeden Tag.“

Hagelnetze, PV-Dächer und „Sonnencreme“

Wie kann sich Lindicke und die anderen Obstbauern in Brandenburg vor Klimaveränderungen schützen? Auf der Obstbau-Versuchsstation Müncheberg östlich von Berlin (Kreis Märkisch-Oderland) schaut man, wie sich Betriebe in Regionen schlagen, die Brandenburg ähneln, aber bereits noch stärker mit dem Klimawandel zu kämpfen haben. Dazu zählen etwa die Krim und Ungarn. Ungarns Obstbauern spannen zum Beispiel Hagelnetze über ihre Apfelbäume, sagt Daniel Kaiser, Bereichsleiter Versuchswesen in der Lehr- und Versuchsanstalt.

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Außerdem setzen die Betriebe Frostschutzberegnung ein. Stechmann hält das für eine sinnvolle Idee. In der Blütezeit werden die Bäume bei niedrigen Temperaturen bewässert, so werden die Blüten von einer dünnen Eisschicht umgeben, und die beim Gefrieren erzeugte Wärme schützt die Pflanzen gegen die Kälte. Dafür könne das Wasser genommen werden, das die Betriebe während der regenreichen Zeit gesammelt haben.

Auch wird mit einer „Sonnencreme“ aus Gesteinsmehl in Müncheberg herumexperimentiert, sagt Kaiser. Dazu wird Nebel aus ganz dünn gemahlenem Gestein auf die Äpfel aufgesprüht – das schützt sie vor dem Sonnenbrand. Zudem sollen in Müncheberg bald PV-Anlagen Obstbäume vor dem Wetter abschirmen. Diese schützten vor zu viel Regen und Sonne, und könnten gleichzeitig zur Energiegewinnung genutzt werden, so Kaiser. Stechmann sagt, dass in Niedersachsen Kirschen viel unter Dächern gepflanzt werden.

Regionale Kirschen als solche kennzeichnen

Baerbock sieht Bedarf für eine mögliche bessere regionale Vermarktung von heimischem Obst. Die Obstbauern könnten in Form von Versicherungen unterstützt werden, „aber auch mit Fragen der Vermarktung“, sagte sie nach dem Besuch am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Die Menschen seien bereit, regional zu kaufen, wenn sie wüssten, woher die Produkte kommen. „Das haben wir vom Fleisch, von den Eiern gelernt.“ Sie betonte: „Wenn man dann aber nicht erkennt, dass die Kirsche aus der Region ist, dann ist es eben auch eine Schwierigkeit.“ Deshalb wolle sie die Frage der Kennzeichnung gemeinsam mit den Fachkollegen anschauen.   

So ist es eben am besten: von der Hand direkt in den Mund

Bettina Lindicke vom Obsthof Lindicke in Werder (Havel)

In Werder setzt Lindicke schon länger Tröpfchenbewässerung ein. So werden die Pflanzen gezielt mit Wasser aus der Havel versorgt. Zwischenzeitlich hat er auch erwogen, Folie um seine Kirschbäume zu legen und sie auf die Art vor Regen, Hagel und auch Vögeln zu schützen. Aber dies sei zu teuer, das Auf- und Abziehen für Arbeitskräfte bei der Ernte zu kompliziert.

Daneben lassen die Obstbauern das Gras zwischen den Plantagen wachsen. „Das sorgt für Biodiversität“, sagt Bettina Lindicke. Es sei gut für den Boden und sorge dafür, dass er Wasser besser speichern könne. Die Lindickes haben den Vorteil, dass jährlich die „Pflücktouristen“ auf ihre Plantagen kommen. „So ist es eben am besten“, sagt Bettina Lindicke, „von der Hand direkt in den Mund.“ (mit dpa)

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