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Potsdam-Mittelmark: Amtsmitarbeiter mit Schreckschusspistole bedroht

Mit 2,08 Promille zum Beratungsgespräch im Werderaner Jugendamt Gericht: Trotz zahlreicher Vorstrafen Bewährung für langjährige Alkoholikerin

Mit 2,08 Promille zum Beratungsgespräch im Werderaner Jugendamt Gericht: Trotz zahlreicher Vorstrafen Bewährung für langjährige Alkoholikerin Von Gabriele Hohenstein Werder/Potsdam. Während ihrer 37 Lebensjahre hing Rosemarie W. (Name geändert) rund 20 Jahre an der Flasche. „Ich habe meine Alkoholabhängigkeit lange verdrängt“, erklärt die gelernte Verkäuferin vor dem Amtsgericht. Als sie nach der Wende ihre Arbeit verlor, schien ihr auch der letzte Halt abhanden gekommen zu sein. Elfmal verstieß die Frau seitdem gegen Recht und Gesetz und wurde angezeigt, unter anderem wegen mehrfacher Straßenverkehrsdelikte, Körperverletzung, zahlreicher Diebstähle, Sachbeschädigung und Beleidigung. Nüchtern war sie während ihrer Straftaten selten. Selbst als 1996 ihr Sohn geboren wurde, konnte Rosemarie W. nicht von dem Hochprozentigen lassen. Das Kind kam irgendwann zu Pflegeeltern, lebt momentan bei seinem leiblichen Vater. „Aber der trinkt auch“, kommentiert die Frau. Jetzt musste sich die geständige Obdachlose erneut wegen mehrerer Delikte vor Justitia verantworten. Der Staatsanwalt wirft ihr vor, die Mitarbeiterinnen des Werderaner Jugendamtes am 28. Mai 2002 während eines Beratungsgesprächs mit einer Schreckschusspistole in Angst versetzt zu haben. Ihr Alkoholpegel zu dieser mittäglichen Stunde: 2,08 Promille. Am 16. Juli 2002 – so die Anklage – soll Rosemarie W. im Potsdamer „Kaufland“ trotz Hausverbots eine Flasche Korn gestohlen, den dazukommenden Detektiv massiv beleidigt und gegen den Oberschenkel getreten haben. Hier brachte sie es übrigens auf 2,68 Promille. Zwei Fahrräder sollen es ihr und ihrem (derzeit in Haft sitzenden) Lebensgefährten am 10. Dezember 2001 in Töplitz angetan haben. Während sich ein fremdes Veloziped bereits auf der Ladefläche des von ihrem Partner chauffierten Kleintransporters befunden habe, soll der Diebstahl des zweiten nur durch das Hinzukommen des rechtmäßigen Eigentümers verhindert worden sein. „Stimmt, ich hatte das Fahrrad in den Händen“, erinnert sich die Angeklagte. „Aber es war nicht angeschlossen.“ Sie habe es zu Geld machen wollen, meint sie selbstkritisch. „Die letzten Jahre war es besonders schlimm mit dem Alkohol“, erzählt Rosemarie W. Irgendwann habe sie erkannt: So könne es nicht weitergehen. Sie habe sich aus freien Stücken zur Entgiftung entschlossen, danach eine Langzeittherapie absolviert. „Momentan befinde ich mich in der Nachsorge. Und es geht mir richtig gut“, schätzt die erneut Schwangere ein. Ein Motiv, ihr Leben in den Griff zu bekommen, sei der Wunsch, ihren Sohn wieder bei sich zu haben. „Das funktioniert aber nur, wenn ich wirklich trocken bin“, weiß die Frau. Und ihr ist auch klar, dass der drohende Widerruf einer Bewährung über ihr schwebt, falls sie erneut rückfällig wird. „Frau W. ist im Rahmen eines Gnadengesuchs bis auf Weiteres Strafaufschub gewährt worden“, teilt der Bewährungshelfer mit. Falls sie endgültig vom Alkohol loskomme, sei ihr in Aussicht gestellt worden, die Freiheitsstrafe nicht antreten zu müssen. Staatsanwaltschaft und Gericht glauben, Rosemarie W. befinde sich nunmehr auf dem richtigen Weg. Deshalb könne die beantragte Sanktion von vier Monaten wegen Bedrohung, Diebstahls geringwertiger Sachen, Beleidigung, Körperverletzung sowie versuchten Diebstahls auch guten Gewissens zu zweijähriger Bewährung ausgesetzt werden. „Eine Auflage ist der erfolgreiche Abschluss Ihrer Alkoholentwöhnung“, betont die Vorsitzende. Zudem werde sie ihr altbekannter Bewährungshelfer weiter begleiten. Das Urteil ist rechtskräftig.

Gabriele Hohenstein

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