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Kultur: Stilles Paar am Meer

Regisseur Christian Petzold erzählt an der HFF mit „Wolfsburg“ von seiner Art des Filmemachens

Regisseur Christian Petzold erzählt an der HFF mit „Wolfsburg“ von seiner Art des Filmemachens Er hat offensichtlich gute Laune, oder ist der Regisseur Christian Petzold immer so gut drauf, wie im Donnerstagabend in der Filmhochschule? Dort stellt er „Wolfsburg“, seinen Berlinale-Panorama-Film 2003 vor, der Ende September des vergangenen Jahres in die Kinos kam, aber eigentlich für das Fernsehen produziert wurde. In diesem Sommer, in der „Fußball gefährdeten Zeit“, wird der erfolgreiche Streifen im ZDF gesendet. Pointierte Scherze, selbstironische Kommentare, es macht Spaß dem Filmemacher zuzuhören. Er erzählt vom Entstehen des Drehbuchs, davon, wie er seine Filme macht und dass er mit Fernsehgeldern gedreht hat, um nicht für Kinofilme „anschaffen“ gehen zu müssen. Die Zusammenarbeit mit dem ZDF sei sehr gut gewesen, keiner habe ihm reingeredet. Er habe mit Hilfe des Fernsehens einen Low-Budget-Film fürs Kino gedreht. Netter Gastgeber und Fragensteller ist Rosa von Praunheim. Die Sitze im HFF-Kinosaal sind an diesem Abend fast alle heruntergeklappt. Die Idee für das Drehbuch kam Petzold Anfang der 90er Jahre in einem Hotel in Wolfsburg, er war als Regieassistent in der Stadt und hatte viel Zeit zum Fernsehgucken und Schreiben. Die von den Nationalsozialisten gegründete „künstliche Stadt“ interessierte ihn. Deshalb ließ er seine Geschichte von Laura, der Mutter, die ihren Sohn durch einen Autounfall verliert, und Philipp, dem Mann, der ihr Kind auf dem Gewissen hat, in der Stadt bei Braunschweig spielen. 1998 schrieb er dann das Drehbuch, vertraglich gebunden an das ZDF. Doch der Sender war damals nicht an dem Film interessiert. Zuerst war Max Färberböck mit einer ähnlichen Geschichte dran. Also musste der Film warten. Erst nach seinem erfolgreichen Psychothriller für das Fernsehen „Toter Mann“ und dem Kinostreifen „Innere Sicherheit“, für den er den Deutschen Filmpreis und beim 41. Festival von Thessaloniki den Drehbuchpreis bekam, nahm er das Buch wieder in die Hand. Fast jedes Wort habe er noch einmal schreiben müssen, bis die Geschichte wieder seine wurde. Dann stand das Filmteam-Treffen in Kreuzberg an, das bei Petzold inzwischen Tradition ist. Vor dem Dreh bringt der Regisseur das Ensemble zusammen: Zum Kennenlernen, zum sich am Prozess beteiligen. Dabei wurden die Dialoge von den Schauspielern kräftig gekürzt. Für den „Philipp“ wählte Petzold Benno Fürmann aus: Er sei der einzige ihm bekannte Schauspieler, der Auto fahren könne. Mit Nina Hoss hatte er schon bei „Toter Mann“ zusammengearbeitet. Seine Schauspieler sollen nicht viel reden, sondern zeigen, erklärt Petzold. Seine Filme sollen starke Emotionen transportieren. Nicht durch Gefühlsausbrüche, die für jeden Schauspieler „Kleingeld“ seien, sondern durch stille, ruhige Bilder. Wie in „Wolfsburg“. Und jeder im Saal weiß, was er meint und denkt an das stille Paar am Meer, im Auto, in der Wohnung und seine große Körpersprache. Überhaupt liebt Petzold es still. Die Filmbilder von „Wolfsburg“ sind mit ruhiger Kamera aufgenommen, die lange an einem Ort steht. Zwar hält sich das Filmteam an kein vorbestimmtes Storyboard, aber grob überlegt sich das Team vor dem Dreh doch, aus welcher Perspektive sich die Geschichte am besten erzählen lässt. Autounfälle wie zum Schluss von „Wolfsburg“ und auch wie in „Innere Sicherheit“ wird es in Petzolds nächsten Filmen nicht geben, verspricht er. Die Filme seien kurz hintereinander entstanden. Er habe damals diese Idee im Kopf gehabt, und sie habe bei beiden Geschichten gepasst. Ein Student fragt Petzold nach seiner Zeit an der Deutschen Film und Fernsehakademie Berlin. Er habe kaum gedreht, sich dafür aber jeden Tag zwei Filme angesehen, „eine hochkonzentrierte Zeit“, beschreibt er, was sich nach Genuss anhört. Vielleicht versteht es der Regisseur aber auch nur, Arbeit mit Genuss zu verbinden. Marion Hartig

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