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Kultur: Sophias Körper

Podiumsdiskussion zur Eröffnung der Frauenkulturtage 2004 in Potsdam

Podiumsdiskussion zur Eröffnung der Frauenkulturtage 2004 in Potsdam Sophia, die Weisheit ist weiblich, so will es nicht nur die deutsche Grammatik. Doch hat Sophia auch einen Körper? Wenn ja, ist dieser Körper weiblich? Woran aber lässt sich Geschlechtlichkeit überhaupt festmachen? Diesen durchaus philosophischen Fragen widmen sich die diesjährigen Frauenkulturtage. Zur Eröffnung wurde in das Frauenzentrum geladen. Der Andrang war groß, die Lust am Diskutieren ebenso. Das Podiumsgespräch entwickelte sich alsbald zu einer offenen Diskussionsrunde, da alle Anwesenden Expertinnen für das Leben mit einem weiblichen Körper waren. Allerdings erwies sich gleich die Eingangsfrage der Moderatorin Carolin Lorenz als nahezu unbeantwortbar: Woran genau mache denn jede fest, zu welchem Geschlecht sie gehöre? Für Sabine Chwalisz, Leiterin der Potsdamer Tanztage und seit 18 Jahren professionelle Tänzerin, gehört die Zuschreibung weiblich'' zum Selbstbild. Bislang habe es keine Notwendigkeit gegeben, dies zu hinterfragen. Auch die Berlinerin Kerstin Masell definiert sich eindeutig als Frau, allerdings muss sie das Normverständnis ihrer Umwelt aushalten, nachdem nicht nur ihr burschikoses Auftreten, sondern auch ihr starker Bartwuchs unweiblich sei. Statt des Zwanges, sich an die Normierungen anzupassen, fühle sie sich frei darin, mit den Geschlechterbildern zu spielen. Eine Freiheit, die ihr zum einen die Großstadt Berlin mit ihrer Pluralität von Lebensentwürfen, aber auch die Frauenbewegung ermögliche. Die 36jährige verwies auf die tief greifenden Veränderungen in der Kindererziehung, von denen sie bereits profitieren konnte. Niemand verbat ihr Fußball zu spielen, auch über ihr Äußeres könne sie autonom entscheiden, selbst wenn Ärzte immer wieder Eingriffe empfahlen. Als gänzlich unbrauchbar charakterisierte hingegen Laura Meritt, die sich als Sex-Expertin vorstellte, die Kategorisierungen männlich-weiblich. Angesichts der Tatsache, dass es medizinisch gesehen weit mehr, nämlich 2000 Geschlechter gäbe, sei die Zweigeschlechtlichkeit ein völlig unzureichendes Modell. Statt allerdings auf die medizinischen Debatten zur Bestimmbarkeit des biologischen Geschlechts näher einzugehen, umriss sie die kulturelle Dimension des Problems. Die soziale Zuschreibung setze in unserer Kultur die Geschlechter in Opposition zueinander, die zwar in einem spielerischen Umgang mit Kleidung unterlaufen werden könne, jedoch häufig nur einen Sprung über die Gendergrenze darstellten. Einer wirklichen Vielfalt entspräche das nicht. Das Podium kam dem Bedürfnis des Publikums nach Erklärungen zu natur- und kulturwissenschaftlichen Erkenntnissen und Debatten ungenügend nach. Begriffe wie Trans- oder Intersexualität wurden ebenso wenig erklärt wie die in den Raum gestellte These der Geschlechtervielfalt. Diese bezieht sich nicht allein, wie es die Ausführungen von Laura Meritt suggerierten, auf die Varianten der Länge und Größe von Klitoris oder Penis. Männlich, weiblich, Transvestitentum, Trans- und Intersexualität sind lediglich Oberbegriffe, die auf die verschiedenen Definitionsebenen von Geschlechtlichkeit verweisen, auf denen einmal biologisch, ein anderes mal sozial bzw. psychologisch argumentiert wird. Auf den Widerspruch, dass es, medizinisch betrachtet, mehr als zwei Geschlechter gibt, aber alles, was nicht in die Norm der kulturell definierten Zweigeschlechtlichkeit passt, als deformiert und krank angesehen und entsprechend behandelt wird, wurde leider gar nicht eingegangen. Dabei hätte gerade der Umgang mit Intersexuellen, das heißt mit Menschen, die bei der Geburt kein eindeutiges Geschlecht aufweisen, die politische Dimension der Thematik unterstreichen können. Denn die Gesetzgebung verlangt nicht nur innerhalb von vier Wochen eine eindeutige Zuordnung des Kindes per Namensgebung, innerhalb dieser Zeit wird auch über das Schicksal intersexueller Kinder entschieden, die zu einer Eindeutigkeit hin operiert werden. Hier schneidet sich der Zwang der Zweigeschlechtlichkeit ganz wörtlich in die Körper von Menschen ein. Den Frauen fehlte vor allem ein Bezug zu ihrer eigenen Lebenswirklichkeit, in der sie nach wie vor Diskriminierungen ausmachen, die sich durch einen Diskurs der vermeintlich individuellen Machbarkeit des eigenen Geschlechtes zu verstärken drohen. So warnte Bärbel Dalichow vom Filmmuseum Potsdam vor einem drohenden Rollback der Einschränkungen von Frauenrechten. Wenn im Ergebnis der Diskussion festgestellt wurde, dass Frauen viel leichter mit Rollenklischees spielen können, bleibt die Frage, warum Männer für sich eine Flexibilität wechselbarer Identitäten scheinbar weniger für nötig erachten. Lene Zade

Lene Zade

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