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Kultur: Solidarische alte Blueshasen

Solidaritätskonzert der IHK mit Uschi Brüning und Engerling für die Seebebenopfer

Solidaritätskonzert der IHK mit Uschi Brüning und Engerling für die Seebebenopfer Bislang war der rosa Klotz der Industrie- und Handelskammer an der Breiten Straße ganz selten als Adresse für Konzerte bekannt. Detlef Gottschling, der Organisator des ergiebigen Soliabends mit Jazz- und Rockgrößen der einstigen DDR, dessen Einnahmen für Einrichtungen in Thailand gespendet werden, lag mit der Vermutung richtig, dass viele der anwesenden über 200 Bluesfans wohl zum ersten Mal im spektakulären runden Versammlungssaal waren. Auch mit der getroffenen Auswahl der Künstler, die auf ihre Gage zugunsten der Flutopfer verzichteten, lag die IHK goldrichtig. Wer Uschi Brüning nicht kennt, der mag dazu neigen, sie zu unterschätzen. Sie strahlt so überhaupt nichts Glamouröses aus, das auf ihre immer noch sensationelle, beinahe „schwarze“ Stimme hinweisen könnte. Vor ihrer großen Karriere, die 1970 begann, machte sie eine Lehre als Justizsekretärin – danach galt sie schnell als beste und talentierteste Sängerin der DDR, die u.a. mit Manfred Krug auftrat. Nun steht sie neben ihrem langjährigen Partner, dem Saxophonisten Ernst-Ludwig Petrowsky. Sicher sind die beiden in die Jahre gekommen, genauso wie das Andenken an jene Zeit, in der „Jazzer-Sein“ ein Zeichen für Andersartigkeit war. Aber auch Petrowsky hat den Sprung in die neue Zeit geschafft, 1997 erhielt er den renommierten Albert-Mangelsdorff-Preis. Mit Uschi Brüning korrespondiert er routiniert, wie es nur ein älteres Ehepaar vermag. Nicht nur, dass die beiden zunächst auf der Bühne amüsant über die Stückabfolge zanken. Schon mit dem ersten Stück „Black Coffee“ begleiten die irrwitzigen Tonreihen Petrowskys die Stimme Brünings wie ein sicheres Steigeisen, an dem sie in unglaubliche Höhen hangeln kann. Brünings Organ ist extrem wandlungsfähig: vom schmusigen Flüstern bis zum dreigestrichenen, Gläser klirrenden Kiekser steht sie Petrowskys Instrument in nichts nach. Immer wieder beeindruckend, wie Petrowsky die Kunst der Zirkularatmung beherrscht. Minutenlang kann er seine kreischenden Freejazztöne anhalten, weil er durch die Nase atmet. So kann er es mit Ulrich Gumperts Ausdauer an seiner Original Hammond-Orgel aufnehmen. Denn Gumpert, genauso eine Bluesgröße, versteht es, den wabernden Sound seines tonnenschweren Kastens in lange bluesige Tremoli zu versetzen. Die zum Ende des einstündigen Jazzens gespielten Nummern, das Brüning, Petrowsky und Gumping zu einer Einheit aus präzise plazierten Synkopen werden lässt, „SOK-Rock", und die sanftweiche Ballade „Still Unnamed“, lassen das ohnehin gewogene Publikum jubelnd applaudieren. „Engerling“ spielen einen Zwitter aus Rock und Pop auf der Grundlage eines felsenfesten Blues-Selbstverständnisses und haben sich über die Jahre eine große Anhängerschaft damit gesichert. Das Repertoire der Band reicht von Bob Dylan, den Beatles bis hin zu Eigenkompositionen. Wolfram Bodag, Sänger und Keyboarder der vierköpfigen Formation, hat den Blues noch mehr in den Fingern als in der Stimme. Zu Liedern wie „Legoland“, „Herbstlied“ und „Es kommen andere Zeiten“, die von den Schwierigkeiten mit historischen Veränderungen handeln, passt der Blues in seiner Tradition als Klagelied afro-amerikanischer Sklaven hervorragend. Solistische Glanzpunkte setzte besonders der Filigranvirtuose Heiner Witte an seiner Gitarre, die zeitweise herzzerreißend weinte und jaulte. Ganz gespannt wartete das Publikum besonders auf das Versprochene gemeinsame „Jammen“ beider Formationen zum Ende der Veranstaltung. Das Solo wanderte dabei von einem Musiker zum nächsten, die Improvisation gelang mit Lässigkeit und zeigte die vorgeführte Klasse. Insgesamt eine runde Sache – Solidarität, die Spaß macht, nach innen, in den Kreis der alten Blues- und Jazz-Hasen, und für einen guten Zweck, für den Bau einer Schule in der Potsdamer Partnerstadt in Sri Lanka, Galle, sowie eines Waisenhauses im thailändischen Chiang Mai, nach außen. Dafür kamen 3.021 Euro zusammen.Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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