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Kultur: „Potsdam ist KULT“ oder soll es werden

Der Verein Kulturhauptstadt will gemeinsam mit den Bürgern punkten, van Dülmen setzt auf Blick von außen

Der Verein Kulturhauptstadt will gemeinsam mit den Bürgern punkten, van Dülmen setzt auf Blick von außen Das „Bühnenstück Potsdam“ neu inszenieren, will der Verein Kulturhauptstadt Potsdam e. V. Um seine Ideen nicht über die Köpfe der Bürger hinweg als Luftschlösser verpuffen zu lassen, trägt der vor zwei Monaten gegründete Verein seine Gedankenspiele bei öffentlichen Diskursen in die Stadt hinein. „Denn Identifikation basiert auf Kenntnis und Vertrauen“, weiß das 20-köpfige Team. Und das Thema Kulturhauptstadt 2010 scheint durchaus die Potsdamer zu bewegen. Der „Runde Tisch“ im Steigenberger Maxx Hotel war jedenfalls bei der vierten Zusammenkunft des Vereins am Montagabend dicht umlagert und die Anwesenden mischten diskussionsfreudig bei der Neubetrachtung ihrer Stadt mit. Unter dem Leitmotiv „Punkten für Potsdam“ schälte der Verein fünf Schwerpunkte heraus: Fix–, Blick-, Brenn-, Streit- und Berührungspunkte. Vor allem der Fixpunkt sorgte für Gesprächsstoff, denn dort wird der Slogan „Potsdam ist KULT“ favorisiert, der sich als Aufkleber an Autos, Schaufenstern, Türen oder Briefen wiederfinden könnte. Dieser Ausspruch sei allerdings im Verein nicht unumstritten, so dessen Vorsitzender Björn O. Wiede. „Potsdam ist nicht Kult, denn noch reist beispielsweise die Jugend der Welt nicht in Massen nach Potsdam“, hält Wiede selbst dagegen. Der Maler Christian Heinze wiederum assoziierte mit dem Slogan optisch-einprägsame Vorstellungen, „was natürlich sehr wichtig ist. Potsdam sollte sich ruhig Selbstbewusstsein leisten.“ Dr. Sigrid Sommer vom Stadtmarketing fand die Idee sogar „geil“. „Das ist ein Dach, unter dem sehr viele Wohnungen sein können.“ Andere Diskutanten bewerteten das Wort Kult als zu amerikanisierend, gerade in Preußen, wo man auch an die Traditionen denken sollte. Angemerkt wurde auch, dass man bei einer europäischen Bewerbung das Wort Kult am Anfang mit C schreiben müsste. Thomas Schulz, wissenschaftlicher Mitarbeiter vom Deutschen Kulturforum östliches Europa, brachte ebenfalls den europäischen Gedanken mit ein. Für ihn sei es noch ein langer Weg, bis Potsdam KULT sei. Er selbst, seit drei Jahren in Potsdam, liebe und hasse diese Stadt. Es verglich Potsdam mit Städten wie Krakau und Lille, die bereits Kulturhauptstadt waren. Um Vergleichbares zu bieten, sei noch enorm viel zu tun, gerade wenn er sich den Potsdamer „Boulevard“ ansehe, der spätestens um 20 Uhr die Bürgersteige hochklappe. Er regte an, die historischen Verbindungen Potsdams in den Osten zu berücksichtigen, wie nach Poznan oder St. Petersburg. Während sich der Verein insbesondere darum bemüht, die eigene Bevölkerung auf den Weg zur Kulturhauptstadt mitzunehmen, habe die von der Verwaltung bestellte Projektgruppe Kulturhauptstadt Europa auch den Blick von außen zu schärfen. Dazu äußerte sich dann Projektmanager Moritz van Dülmen, der noch einmal die wichtigsten Eckpfeiler benannte. Bis zum 31. März müsse die Bewerbungsschrift formuliert und an das Kulturministerium abgegeben werden. Gleiches täten die 19 Mitbewerber in ihren Ländern. Der Bundesrat empfiehlt schließlich 2005 der EU in Brüssel seinen Favoriten, und 2006 gibt es dann den Zuschlag. „Ich halte es nicht unbedingt für einen Nachteil, dass wir bislang so wenig an die Öffentlichkeit gegangen sind. Wenn die Inhalte stehen, wird sich das ändern.“ Nach dem 31. März gäbe es für die Potsdamer eine Auftaktveranstaltung, „die Ouvertüre“, die einen Vorgeschmack von dem, was 2010 geschehen könnte, geben soll. „Auch die kommende Spielzeiteröffnung des Theaters durch den neuen Intendanten Uwe-Eric Laufenberg werden wir für uns mitnutzen, wie auch das Studentenfilmfestival ,SehSüchte“, mit dem wir kooperieren wollen. Auf jeden Fall muss die selektive Kulturwahrnehmung aufgebrochen werden.“ Und wohl auch an die Adresse Potsdamer Finanzverwalter gerichtet, betonte er: „Eine Stadt, die Kultur in Größenordnungen abbaut, kann natürlich nicht Kulturhauptstadt werden. Ich denke aber, die Bewerbung bringt eine große Bewegung in die Kulturszene.“ Und die Kulturhauptstadt-„Kampagne“ wird auch neuen Projekten Raum geben und sie fördern: „Autark und losgelöst von der städtischen Verwaltung. Wir werden aber bestimmte Linien fahren und nicht alles berücksichtigen können, “ schränkt van Dülmen ein. Um eine fundierte Bewerbung zu schreiben, müsse genau geschaut werden, mit welchen Pfunden man wuchern könne. „Unsere Hardware ist das Weltkulturerbe. Das hat außer Bamberg kein anderer Bewerber zu bieten. Aber auch die Software ist sehr wichtig, und die müssen wir uns ehrlich und seriös anschauen. Punkten könnten wir mit Potsdam als Filmstadt, das hat keiner außer uns“. Auch die Schiffbauergasse sei ein Trumpf, anders als die Bildende Kunst. Mit dieser Einschätzung stieß van Dülmen indes auf Widerspruch bei Maler Christian Heinze. Neben den Inhalten müsste auch eine seriöse und glaubhafte Finanzierung auf die Beine gestellt werden. „Es reicht nicht, zu sagen, wir machen da mal mit. Wir müssen es auch durchziehen können, sollten wir wirklich den Zuschlag bekommen“, so der Projektmanager. Von der EU sei nur mit dem „lächerlichen Zuschuss“ von einer Million Euro zu rechnen. „Graz brauchte schon allein für sein Veranstaltungsprogramm rund 25 Millionen Euro.“ Also müsse die Finanzierung aus Stadt, Land, Bund und Sponsoren gesichert werden. Auch auf das Corporate Design „Stell“ dir vor“ mit der Mona-Lisa-Verknüpfung ging van Dülmen ein. „Eine kontroverse Diskussion ist genau das, was wir wollten.“ Seltsamerweise gab es dazu keine weiteren Äußerungen in der Runde. Am 4. März gibt es allerdings im Alten Rathaus die nächste Zusammenkunft des Vereins, die zum Pro und Kontra der Bewerbungsidee einlädt: kurz bevor das Konzept ans Kulturministerium abgegeben wird. Heidi Jäger

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