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Kultur: „Ich bin es wert, ein guter Freund zu sein“

Rolf Riedmann reiste aus der Schweiz an, um in der arche über das Thema Homosexualität und „wuestensturm“ zu sprechen

Rolf Riedmann reiste aus der Schweiz an, um in der arche über das Thema Homosexualität und „wuestensturm“ zu sprechen Von Gerold Paul „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib“. Diesen Satz aus der Genesis, 1.Mose 1.27 hat sich der christliche Verein „wuestenstrom" seit 1993 auf seine Fahne geschrieben, als drei homosexuelle Männer sich entschlossen, ihr „Recht auf Veränderung“ mit Gleichgesinnten zu teilen. Externe Studien besagen ja, dass zehn Prozent aller Invertierten der Wunsch nach „Rückkehr“ in die Heterosexualität umtreibt. Nicht das „Ausleben“ und die öffentliche Persönlichkeitsvermarktung, wie es das Fernsehen exzessiv und täglich ausstrahlt, standen also jüngst auf dem Themenplan der „arche", sondern „Sexuelle Orientierung und Veränderung“, sozusagen als Alternative zum längst akzeptierten „Lustprinzip“ der Gesellschaft. Das zu diesem Behufe eingeladene Gründungsmitglied Markus Hoffmann war allerdings verhindert, für ihn kam Rolf Riedmann direkt aus Zürich nach Potsdam, nur für diesen Abend, alle Achtung. Er steht eo ipso für „Veränderung“ mit seiner Person ein, ging er doch, nie in der Szene, sondern privat, bis zu seinem 30. Lebensjahr selber nach Männern – und war dergestalt unzufrieden mit sich. Jetzt ist der gelernte Theologe mit einer Senftenbergerin verheiratet. Wie das Mose-Zitat dem Tammer Verein (nahe Stuttgart) Sicherheit gibt, so bezieht sich sein Name auf Jesaja 43.20. Er versteht sich als „christliche Organisation“, von Betroffenen für Betroffene gegründet und allen offen, deren Leben eine „konflikthaft empfundene Sexualität“ prägt. Therapeutische Beratung, Seminare, Schulungs- und Fortbildungskurse sollen Umsteigewilligen „etwas von der Hoffnung weitergeben, die wir selbst in unserem Leben als verändernde Kraft erfahren haben“. Alles ist freiwillig, niemand muss sich durch Bibelzitate motivieren, sie könnten, nach Riedmann, doch nur Anstöße geben, „verändern“ müsste man sich schon selbst. „wuestenstrom" ist auch für alle offen, die Probleme mit ihrem Frau- oder Mannsein haben, von Missbrauch betroffen sind (wie der Referent selbst) oder nur Rat für die Partnerschaft suchen. Um diesem noch immer weithin nebulösem Thema (dessen Konstanz als ausgemacht gilt) auf die Spur zu kommen, arbeiten die Berater dieser Seelsorge-Organisation (Neugründung 1997) auch mit Sexualtherapeuten zusammen. Für die wissenschaftliche Fundierung beruft man sich auf Carol Gilligan, Friedemann Pfäfflein, Herrmann Bullinger, Robert Schorsch, Gunter Schmidt und andere. Trotzdem sind die Ursachen für die Homosexualität – seit 1973 aus den internationalen Krankheitslisten gestrichen – weiterhin unklar. Weder Veränderungen im Hirn noch hormonelle und genetische Einflüsse ließen sich verifizieren, eher kommen sozialpsychologische Motive infrage. Für Rolf Riedmann, der sich an diesen Abend mit seiner ganzen Persönlichkeit einbrachte, scheint die Analyse von Siegmund Freud zuzutreffen: Aufgewachsen in einer Großfamilie mit fünf Geschwistern („ich war oft allein“), galt er vor seinen Brüdern als Weichling, so dass sich aus der Empfindung von Ausgestoßensein „Scham über meine Person“ einstellte. Er wollte als Mann zu ihnen gehören, doch sie nannten ihn „Memme“, und er nahm diese „weibliche“ Rolle auch an – „menschliche Sexualität ist von der Persönlichkeit nicht getrennt“. Wer zu „wuestensturm“ kommt, wird in einfühlsamen Gesprächen nach seinen Motiven befragt: Was man am gleichgeschlechtigen Gegenüber suche und was dieser bei einem selbst auslöse. Riedmann erzählte von einem Stotterer, welcher sein soziales Minderwertigkeitsgefühl „sexualisierte“, bis ihm ein Logopäde half. Des Zürichers eigenes ließ ihn „schöne Gesichter“ begehren, weil diese Vorteile im Leben hätten. Ziel ist immer, anderen (vermeintlich Vollkommeneren) „zuzugehören“, wie ein Bruder dem Bruder, anerkannt zu werden, wie der Freund von einem wirklichen Freund. Familiengründe mögen nicht alles gewesen sein, doch Homosexualität wird nach Freud oft durch eine starke Mutterfixierung ausgelöst, deren Rolle man nach der Pubertät einnimmt, um sich selbst im fremden Manne wiederzufinden. In jedem Fall gibt es eine bis zu 12 mal stärker ausgeprägte Neigung zum Narzissmus als bei den Heteros. Riedmann musste zudem eine extreme Furcht vor Frauen überwinden, weil er bei jeder Begegnung das Gefühl hatte, man wolle ihn „aufsaugen". Letztlich ist ein Homosexueller kein Transvestit, er versteht sich eher als „unvollkommener Mann“, dessen Sexualität mehr Begehren denn Selbstzweck ist. Riedmann, der sein „Recht auf Veränderung“ sogar in der „arche“ verteidigen musste, ließ keinen Zweifel, wie viel Aktion und Leiden aus solchen Defiziten kommt. Deshalb macht das Fragen bei der Beratung auch Sinn. Er selbst hat seine „Ergänzung" in seinem Weibe gefunden und damit „Moses erfüllt“. „Moralisch vollkommen" ist man deswegen nicht, aber er kann jetzt von sich sagen: „Auch ich bin es wert, ein guter Freund zu sein". Derzeit will er das Netzwerk „wuestenstrom“ auf die Schweiz ausdehnen. Nächsten Dienstag spricht die Grand Dame der Psychotherapie, Christa Meves, Uelzen, über „Die neuen Seelenkrankheiten", Ursachen und Hilfen (mit Buchverkauf), Beginn: 19.30 Uhr

Gerold Paul

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