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Lucie Hübner, Maxi Hille und Meike Michel sind Teil des Projekts „Im Schatten der Platte“

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Hinter all diesen Fenstern: Den Potsdamer Plattenbau von innen erzählen

Die Platte ist viel mehr als ihr Ruf. Wie ihre Bewohnerinnen und Bewohner das sehen, wollen Studierende der FH Potsdam durch einen Workshop erzählen.

Als Kind zu wissen, wo ihre Freunde wohnen und dort zu klingeln, sei so eine Erinnerung, die sie an „die Platte“ habe, auch wenn sie selbst nie in einer gelebt habe, sagt Meike Michel. Zu wissen, dass unten die Tür immer offen sei. Maxi Hille denkt als Erstes an die Innenhöfe mit ihren Gemeinschaftsspielplätzen und die immer wiederkehrenden Begegnungen im Treppenhaus. Sie ist in einem Plattenbau in Eisenhüttenstadt aufgewachsen, der ersten sozialistischen Planstadt.

Die Zuschreibungen von außen sind meist weniger positiv, die Klischees zahlreich: „unordentlich, ungebildet, sozial schwach“ seien die Bewohner. Maxi Hille, Lucie Hübner, Meike Michel, Sofia Chybisova, David Knoll, Kevin Schmidt und Philipp Schneidmüller studieren Kulturarbeit an der FH Potsdam. Mit ihrem soziokulturellen Projekt „Im Schatten der Platte“ wollen sie Bewohnerinnen und Bewohnern der Potsdamer Waldstadt – auch ehemaligen – die Möglichkeit geben, ihr Leben im Plattenbau von innen heraus zu erzählen.

Workshop in der Waldstadt

Dafür findet am Samstag und Sonntag ein Foto- und Schreibworkshop im Haus der Begegnung statt. Ihre alltäglichen Wege zwischen den gleichförmig geplanten Häusern und hohen Kiefern der Waldstadt, zur Schule, zum Arzt, zum Supermarkt, sollen die Teilnehmenden zunächst auf einer Karte einzeichnen. Was sie dort sehen, halten sie in Fotografien fest, die Workshopleiterinnen helfen ihnen dann, ihre eigene Geschichte zu schreiben.

Ausgangspunkt der Überlegungen zum Projekt: die Beobachtung, dass Plattenbauten häufig weniger Wertschätzung und Ansehen durch die Gesellschaft erfahren als beispielsweise Altbauwohnungen. In Potsdam gebe es eine fortschreitende Segregation, so Lucie Hübner: „Einerseits die Reichenviertel und dann die Orte, wo Normalverdienende wohnen. Weil die Mieten in Potsdam so hoch sind, sind das eben auch die Plattenbauviertel.“ Eine Beobachtung, die sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen deckt.

Laut Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WBZ) hat sich die Armutssegregation vor allem in ostdeutschen Städten zugespitzt. Besonders die soziale Schere zwischen Plattenbausiedlungen und Innenstädten oder Vororten ist größer geworden.

Für „Im Schatten der Platte“ haben die Studierenden in Stadtteilbibliotheken und Bürgerzentren der Potsdamer Plattenbauviertel die Bewohner nach ihrem eigenen Bild von „der Platte“ befragt. „Dabei gab es durchaus viele positive, die auch unser Gefühl transportieren“, erzählt Meike Michel.

Wie das Leben in der Waldstadt aussieht, sollen Bewohnerinnen und Bewohner selbst beantworten können.
Wie das Leben in der Waldstadt aussieht, sollen Bewohnerinnen und Bewohner selbst beantworten können.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Trotzdem bedauerten gerade ältere Menschen oft, dass sich das Miteinander nach der Wende zum Negativen verändert habe. Früher habe es mehr Zusammenhalt gegeben, jetzt kenne man sich kaum noch. „Die Jüngeren spiegeln uns aber, dass es das durchaus wieder gibt“, sagt Michel. „Wahrscheinlich unterschiedliche Blickwinkel, unterschiedlicher Generationen.“

Auf die Bewertung der Bauten selbst trifft das auf jeden Fall zu: Als die Mieterinnen und Mieter in die neuen Gebäude der Waldstadt ziehen, sind sie Prestige-Objekte. Der Architekt der Waldstadt II wird sogar mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Heute wird in Potsdam leidenschaftlich diskutiert, was mit baulichen Überresten der DDR passieren soll.

Etwa 30 Prozent der Potsdamer leben laut Projekt in Plattenbauvierteln. „Viele reagieren darauf überrascht“, so Lucie Hübner. Vor allem der Abriss von Gebäuden wie dem Staudenhof verstärke die Tatsache, dass diese Gebiete hinter Potsdams wohlhabendem Image verschwinden.

Man müsse doch nur aus der Innenstadt bis in die Randgebiete fahren, so Kevin Schmidt. Dabei werde sichtbar, wie viele unterschiedliche Menschen im Lauf der Fahrt zu- und aussteigen.

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