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Kultur: „Der Staat bin ich“

Gerd Heinrich über Friedrichs Reisetätigkeit

Gerd Heinrich über Friedrichs Reisetätigkeit Man muss sich das vorstellen: Der Bundeskanzler ist für die Welt einfach nicht zu sprechen. Er sitzt nicht in Bonn oder Berlin, sondern reist jahrein jahraus sieben Wochen durch seine Provinzen, observiert die zur Trägheit und Betrug neigenden Behörden, meidet Protokoll und ehrenden Popanz, interessiert und kümmert sich am liebsten um alles selbst, sogar darum, welcher Minister durch preußischen Fleiß eine Pension in welcher Höhe verdient habe – und wird dafür (teils) von seinem Volke verehrt! Anlässlich des „Fritz-Tages“ am Dienstag hielt Professor Gerd Heinrich, Nestor der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, im „Kutschstall“ einen teils schwärmerischen Vortrag über den Reise-König Friedrich II. mit dem Titel „Hat Er Crayon?“, was soviel heißt wie hat man etwas zum Schreiben dabei?“ Friedrich der Große reiste sieben Wochen im Jahr, aber mit Ausnahme zweier Besuche in den Niederlanden kam und wollte er aus seinen weitläufigen Provinzen von Kleve bis Königsberg nicht hinaus, „keine Grand Tour“ an die Höfe und Universitäten Westeuropas im ganzen Leben. In seiner Kronprinzenzeit hatte er den Rhein erlebt und Frankreich gesehen, dafür kannte er, besten Gedächtnisses, seine Lande aus dem Lameng. Das war vorbereitet. „Du musst die Provinzen jährlich bereisen, Armee und Offiziere kennenlernen und überall Verbesserungen suchen“ hatte ihm sein oft unterschätzter Vater per Testament ans Herz gelegt. Schon während der Regierungszeit Friedrich Wilhelm I. begleitete ihn der zeitweise unbotmäßige Sohn, 1736 etwa nach Magdeburg und Ostpreußen, wo er drei Jahre später eigene „Revuen“ mit erweiterter Selbstständigkeit ausführte. Wenn auf einen König das Wort „Der Staat bin ich“ zutrifft, dann auf Friedrich II., denn schon 1740 war ihm klar, dass die Territorien „nur durch Kontrollen zu bewachen“ seien; mithin war er „der erste Kommissar“ seines Landes. Obwohl der Große immer ein paar Kabinettsräte dabei hatte, wurde während der Tour wenig regiert, Feldjäger besorgten nationale und internationale Depeschen. Neben kleineren Touren vor der Haustür befuhr er die schlesischen Lande mehr als 30 mal, Westpreußen und Oldenburg/Emden 5 mal, mit der Extra-Post ging es dann auch extra schnell retour. Es waren gut vorbereitete Inspektionsreisen, fast immer mit Besuchen von Garnisonen verbunden, wo er den Offizieren Lob oder Tadel aussprach – „sonst wurde jeder nachlässig“. Auf solchen Revuen machte er mit seiner „Reiseregierung“ zwischen 20 und 50 Halts, beritt das Terrain selbst hoch zu Pferde und drang, durch Potemkins Dörfer gewarnt, auch tief in Nebenstraßen ein. Er ließ sich Bericht geben von Amtsvorgängen, Personen, Wirtschaft und Finanzen: Eine Stadt durfte so wenig mit Schulden ins neue Etatjahr gehen wie Preußen selbst. Das funktionierte damals noch. Wo eine Katastrophe Häuser zerstörte, sprang sein Hofkämmerer Buchholz ein, damals eine Selbstverständlichkeit für den modernen Staat. Sonst fragte er und fragte, das muss ganz schön nervig gewesen sein. Empfindlich reagierte Friedericus auf Pensionswünsche seiner Beamten draußen im Lande, „erst die Leistung, dann die Meriten“ war seine Antwort. Die Auswertung aller Angelegenheiten, Befehle oder Eingaben einer Reise hatte sein Kabinett meist innerhalb von sieben Tagen zu bearbeiten. Als Friedrich 1786 die „letzte Reise“ tat, hinterließ er seinem Neffen Friedrich Wilhelm II. einen „Staatsschatz“ von 51,302 Millionen Talern. Wann gab es das je wieder? Gerold Paul

Gerold Paul

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