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Potsdamer Maler: Den Alltag ungeschminkt erzählt

Der Potsdamer Maler Peter Rohn wird am heutigen Samstag 80 – eine Würdigung.

Die Zeit, die Peter Rohn auf den Besucher wartet, lässt er nicht verstreichen, ohne sich zu beschäftigen. Der gebürtige Dresdner schreibt auf einem Blatt Papier ein paar Erinnerungen unter dem Titel „Wie ich zur Malerei kam“ auf. Gemeinsam mit dem Großvater ging er des Öfteren in die berühmte Gemäldegalerie mit ihrer großen Auswahl von alten Meistern. Bilder von Albrecht Dürer faszinierten ihn besonders: Der verlorene Sohn oder Ritter, Tod und Teufel. „Als Knabe und Jugendlicher lebte ich monatelang in der Sächsischen Schweiz und ging in einem Dorf zur Schule, auch in Bad Schandau. Ich war sehr oft und gern in der Natur allein“, notiert Peter Rohn. In dieser Landschaft ist sein erstes Aquarell entstanden, ein „Blauer Berg“ hinter einem weiten Feld, dazu ein orangefarbener Ahornbaum. Doch die Malerei hatte bei der Berufswahl zunächst keine Priorität. Nach dem Oberschulbesuch begann er ein Studium an der Technischen Hochschule Dresden. Doch begeistert war er davon nicht. „So versuchte ich durch Studienwechsel davon loszukommen. Ich besuchte nach dreitägiger Eignungsprüfung schließlich die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.“ Hier reißen die Notizen ab. Die Klingel kündigt den Besucher an. Schnaufend erreicht dieser die Wohnung, die im obersten Stockwerk in einem der Gründerzeithäuser in Potsdam-West zu finden ist. Sie beherbergt auch Rohns Atelier. Wie er das Aufstiegs-Pensum bewältige, wollte der Gast wissen. Der Künstler lakonisch: „Durch tägliches Training.“ Die begonnenen biografischen Aufzeichnungen werden nun erzählend weitergeführt. Von Leipzig ging er wieder zurück in seine Heimatstadt, an die dortige Kunsthochschule. Rudolf Bergander wurde sein Lehrer. Rohn sieht sich in der Nachfolge der spätimpressionistischen Malerei Dresdens.

Am heutigen Samstag feiert Peter Rohn seinen 80. Geburtstag. Ein Alter, das man ihm nicht ansieht. Unverändert wirkt er frisch. Die zupackende Sprechweise verrät einen intellektuellen Zeitgenossen. Die lebhaften Augen künden von einem Hunger nach Eindrücken, obwohl er im Gespräch meint, dass die Erlebnisse weniger werden und dass er Vorhaben mit Rücksicht auf die 80 gut sortiere. „Doch der Spaziergang am Schwielowsee ist mittlerweile zu einem Ritual geworden, das ich mir fast jeden Tag gönne.“

Radtouren, Wanderungen und Spaziergänge gehören zu Peter Rohns bevorzugten Beschäftigungen. Doch nach einem Unfall verzichtet er auf den geliebten Drahtesel. Sein Weg führt ihn regelmäßig in die seiner Wohnung nahe gelegenen Parkanlagen von Sanssouci. Für ihn bedeuten sie, wie für Kollegen, eine ergiebige künstlerische Motivsuche. Bekannt wurde vor allem seine unbefangene Sicht auf das Schloss Sanssouci mit der großen Fontäne aus dem Jahre 1967. Er ließ sich in seiner Interpretation nicht „in die absolutistische Achse zwingen“, schrieb der Kunsthistoriker Heinz Schönemann über das Bild. „Durch drastische Verschiebung enthüllte er die Missverhältnisse zwischen Schloss und Fontänebecken.“ Das klassizistische Schloss Charlottenhof Karl Friedrich Schinkels gehört zu den bevorzugten Bauwerken des Malers, die von ihm auf dem Papier und auf der Leinwand eine farbenfroh-gelöste oder auch verhalten-spröde Wiedergabe erhält.

Aus den geordneten Bildstapeln legt Peter Rohn eine Mappe mit 15 Blättern auf den Tisch. Ein Wäldchen am Neuen Palais inspirierte ihn zu einem Zyklus, der Wetterstimmungen der verschiedenen Jahreszeiten aufnimmt. Immer am gleichen Ort malte er mit Deckfarben den kompakten Zusammenhalt von Bäumen, der beim genauen Hinsehen Transparenz zulässt. Die Farben leuchten kostbar im verhaltenen Vorfrühling oder im goldenen Herbst. Selten erlebt man auf einem Bild eine so beeindruckende Regenlandschaft wie hier. Früher habe er sehr viel vor Ort gemalt, erzählt er. „Heute besuche ich ihn immer wieder, mache mir Skizzen und male das gewählte Motiv aus dem Gedächtnis.“ Der Besuch bei Peter Rohn ist entdeckungsreich. Immer wieder kann man Einblick nehmen in Kunstmappen, Bilder sehen, die man vorher nicht kannte. Beispielsweise expressive Kohlezeichnungen. Im Stahl- und Walzwerk Brandenburg an der Havel entstanden sie, als er die schwere Arbeit der Stahlwerker kennenlernte. Für die märkische Havelstadt entschied er sich unter der Fahne der damals aktuellen Kultur-Kampagne „Bitterfelder Weg“ und vor allem, weil er einen Tapetenwechsel anstrebte. „In der Kunststadt Dresden waren derart viele Künstler ansässig, dass ich befürchtete, ich könnte in der großen Konkurrenz von Malern nicht bestehen“, sagt Peter Rohn. So ging er 1959 zunächst nach Brandenburg, zwei Jahre später nach Potsdam.

Hier hat der leidenschaftliche Wahl-Potsdamer als Dozent an der Fachschule für Werbung und Gestaltung gearbeitet, hier hat er das Thema der Stadt und ihrer Bewohner auf vielfältige Weise behandelt. Oft als unbequem abgestempelt geriet er mit den DDR-Kulturfunktionären immer wieder in Konflikte. Aber auch heutige Verhältnisse werden von ihm kritisch unter die Lupe genommen. Alltägliches des Tages und der Nacht sind ungeschminkt auf seine Ölbilder gebannt, manchmal überhöht und mit dem ihm eigenen Sarkasmus versehen. „Vor der Maifeier“ (1969) heißt beispielsweise ein Gemälde, das den leeren Platz der Nationen (heute Luisenplatz) zeigt. Am Brandenburger Tor ist eine gewaltige Tribüne aufgebaut, auf dem die SED-Oberen des Bezirkes Potsdam und der Stadt sich bejubeln ließen. Auf dem sauber gefegten Platz wird es am 1. Mai einen martialischen Aufmarsch der DDR-Volksrmee geben. Kriegerische Trophäen aus der Zeit Friedrichs II. grüßen vom Tor. Beängstigend wirkt auch der „Autofriedhof“ (1993). Die übereinandergestapelten Fahrzeugwracks erzählen davon, dass sich für die einstigen DDR-Bürger nach der politischen Wende der Traum von einem Westauto, und sei es ein schrottiger Gebrauchtwagen, verwirklichte. Schnell landete er auf dem Autofriedhof.

Die letzte große Ausstellung mit Werken von Peter Rohn fand vor zehn Jahren in den Römischen Bädern statt. Nun wird es Zeit, dass eine Schau wieder folgt. Wir würden wieder staunen, was er uns mit seinen Bildern erzählen will.

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