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Kultur: Anmutig bis apokalyptisch

Klassik am Sonntag mit sinnenreizender Aufforderung zum Tanz im Nikolaisaal

Klassik am Sonntag mit sinnenreizender Aufforderung zum Tanz im Nikolaisaal Für die einen ist er „Teufelszeug“. Andere lieben an ihm die erotische Ausstrahlung. Dritten wieder ist er amouröses Abenteuer oder amüsante Zerstreuung. Doch keiner kann oder will der „Aufforderung zum Tanz“ widerstehen. Unter diesem verheißungsvollen Titel luden das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt und der Nikolaisaal zur „Klassik am Sonntag“ ein. Wirkungsvolle Unterstützung bei ihren immer mehr erfolgreichen Vorhaben, die diversen Sinne des Publikums zu kitzeln, indem man mehrere Genres zu Neuem zusammenfügt, erhielten sie durch Mitglieder der Deutschen Tanzkompanie mit Sitz in Neustrelitz. Als Nachfolger des Staatlichen Folkloreensembles der DDR hält das Institut erfreulicherweise noch immer das Banner der künstlerischen Körpersprache fern des klassisch-akademischen Schritt- und Gestenvokabulars hoch. Um den vier Paaren eine einigermaßen adäquate Tanzfläche bieten zu können, sitzt das Orchester ebenerdig eng zusammen – mit dem Drang zur Wand. Doch diese Bedrängnis erweist sich durchaus als klangliche Tugend, weil es einzelne Instrumentengruppen stärker miteinander verschmilzt. Vordergründiges Blech hört man so kaum noch! Von der urwüchsigen Kraft der Rhythmen in Leonard Bernsteins sinfonischen Tänzen aus der „West Side Story“ lassen sich die Musiker zu präzisem und lautstarkem Auftrumpfen verführen. Mitunter scheint der Dirigent Fabrice Bollon seinen Taktstock jedoch mit einer Brechstange zu verwechseln. Wie damit Sentiment und Swing erzeugen? Oftmals ist''s vergebliche Liebesmüh“. Wenn sie im Pianissimo schmachtfetzig aufspielen sollen, wirkt“s eher unsauber, dünnblütig und unpräzise. Doch zunehmend verstehen sie dynamisch und klanglich zu differenzieren, entsteht aus effektvoller Schwarzweiß-Malerei (Ungarischer Marsch/Tanz der Irrlichter von Hector Berlioz) ein klangfarbenreiches Kolorit. So zeigt sich der zweite Teil des beifallsfreudig aufgenommenen, von Clemens Goldberg sachkundig moderierten Konzerts wesentlich überzeugender als der erste. Zupackend und gleichsam tänzerischen Stolz vorführend spielen sie Fandango und Farruca aus Manuel de Fallas Ballett „Der Dreispitz“. Selige k.u.k.-Zeiten verstehen sie in Maurice Ravels choreografischem Poem „La valse“ reichlich mit Laszivität und apokalyptischen Untergangsstimmungen auszustatten. Da endlich haben die Musiker ganz zu ihrer Stärke gefunden. Auf dem Weg dorthin liegen manche Stolpersteine. Das titelgebende Konzertstück von Carl Maria von Weber beispielsweise, das in einer Berliozschen Bearbeitung erklingt – leider ohne Eleganz und Feuer. Dafür versöhnen die Kostüme der Tänzer ( im Stil der Entstehungszeit: Uniformen für die Herren, Empirekleider für die Damen), weniger die einfallslose Choreographie (Eva Brehme-Solacolu). Für tänzerische Anmut und Ausstrahlung von Polonaise (aus „Eugen Onegin“), Walzer (An der schönen blauen Donau) und Ungarischem Tanz (aus „Schwanensee“) sorgt der sach- und stilkundige Choreograph Thomas Vollmer. Peter Buske

Peter Buske

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