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Polarforscher zur Jahreswende

Polarforscher zur Jahreswende POST AUS DEM EIS Potsdamer Polarforscher arbeiten das ganze Jahr über in der Koldewey-Station auf Spitzbergen, auch in der dunklen und kalten Zeit der Polarnacht. Wie kommen sie zurecht mit der Einsamkeit, der Kälte, den Monaten ohne Tageslicht? Den PNN schicken sie regelmäßig eine Botschaft aus dem Eis. 24. Dezember bis 2. Januar: Die Weihnachtstage in unserem kleinen Forscherdorf Ny-Ålesund am zugefrorenen Königsfjord in Spitzbergen waren sehr erlebnisreich. Vor allem aber anders und ungewöhnlich. Als Siedlung, die nur 1237 Kilometer vom Nordpol, aber 2960 Kilometer von Potsdamer Telegrafenberg entfernt ist, haben wir natürlich einen guten Draht zum Weihnachtsmann, zum Julenisse, wie die Norweger ihn nennen. So hat jeder Dorfbewohner auf der gemeinsamen Weihnachtsfeier vom persönlich anwesenden Weihnachtsmann ein Geschenk bekommen. Doch auch für andere war der Weihnachtsmann zugegen. Am ersten Weihnachtsfeiertag haben wir an einem Bingo-Abend beinahe achttausend norwegische Kronen, umgerechnet knapp neunhundert Euro, eingenommen, die wir für die Kinder in der russischen Bergbausiedlung Barentsburg etwa hundert Kilometer südlich von Ny-Ålesund spenden. Diese Aktion hat in Ny-Ålesund schon Tradition. Im vergangenen Jahr konnte für die Schule in Barentsburg eine Videokamera angeschafft werden. Ganz so arbeitsfrei, wie für manchen in Deutschland die Zeit zwischen den Jahren war, konnten wir es uns natürlich nicht einrichten. Seit einigen Wochen liegt schon genug Schnee, dass man ohne das Material oder die Tundra zu quälen, mit den Schneescootern aus dem Ort fahren kann. Für viele der Dorfbewohner ist das fast ausschließlich eine Freizeitaktivität, wir aber sind meist dienstlich unterwegs. So mussten wir nach Weihnachten den Wettermast an der fünf Kilometer entfernen französischen Station „Corbel“ kontrollieren. Eine solch vermeintlich einfache Aktion ist in der Realität eine kleine Expedition, die einiges an Vorbereitung erfordert: Zunächst einmal müssen die Schneescooter angelassen werden. Nach sechs Monaten Sommerruhe kein leichtes Unterfangen, das wir erst mit Hilfe zweier erfahrener Norweger bewerkstelligen können – wer kommt schon darauf, einfach die Zündkerze abzuschrauben und ein paar Tropfen Benzin direkt in den Zylinder einzuspritzen? Während die Zweitaktmotoren warm laufen, wird die Sicherheitsausrüstung zusammengesucht: Satellitentelefon, Signalpistole, Kompass, Karte, GPS, Feuerzeug, Stirnlampe, heißer Kaffee und ganz zum Schluss das Gewehr mit acht Schuss großkalibriger Munition – die letzte Möglichkeit, bei einer Begegnung mit Eisbären nicht zu Schaden zu kommen. Glücklicherweise musste seit Bestehen der deutschen Station in Ny-Ålesund noch kein einziger Schuss auf einen der unter Naturschutz stehenden Tiere abgeben werden. Nicht zu vergessen für unsere Expedition ist natürlich die wissenschaftliche Ausrüstung, in diesem Fall ein Spezialthermometer für Vergleichsmessungen. Vor der Abfahrt packt sich die ganze Crew dick ein: Overall und Stiefel schützen den Körper und die Beine. Gesichtsmaske, Skibrille und Helm sorgen für den Kopf. Es ist extrem wichtig, dass kein Quadratzentimeter Haut ungeschützt bleibt. Bei -23°C und Scootergeschwindigkeiten von bis zu 60 Km/h würden die -41°C Windchill-Temperatur schon nach wenigen Minuten Frostbeulen oder gefährliche Erfrierungen verursachen. Nach über einer halben Stunde Vorbereitung dauert die eigentliche Fahrt zum „French Camp“, wie die Corbel-Station auch genannt wird, nur eine knappe Viertelstunde. Bei klarem Himmel werden wir in der Aufmerksamkeit für die Wetterstation unseres Kollaborationspartners, des französischen Polarforschungsinstitutes IPEV, nur durch Polarlichter abgelenkt. Beim Warten darauf, dass sich unser Referenzthermometer an die Umgebung anpasst, ist ein Blick zum Himmel aber genauso selbstverständlich wie die Kontrolle der Landschaft, dass sich kein Eisbär hinter einem Hügel anschleicht. Nach vollendeter Arbeit liegt eine der ortseigenen Hütten auf unserem Rückweg. Einige unserer norwegischen Freunde haben dort schon den Ofen vorgeheizt und warten mit Kaffee und Schokolade auf uns, sodass wir die Arbeitsexpedition am Wochenende ausklingen lassen können und es sich fast wie ein ordentlicher Sonntag anfühlt.Dr. Jens Kube, Stationsleiter

Dr. Jens Kube, Stationsleiter

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