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EINFACH RAFFINIERT KOCHEN Berliner Spitzenköche verraten Lieblingsrezepte (1): Rustikale Note

Rote Bete, Pilze und Co.: Bobby Bräuer, Chef des Restaurants „Quadriga“, ist Münchner mit hanseatischer Zurückhaltung – und kocht gern bodenständig

EINFACH RAFFINIERT KOCHEN Berliner Spitzenköche verraten Lieblingsrezepte (1)Rote Bete, Pilze und Co.: Bobby Bräuer, Chef des Restaurants „Quadriga“, ist Münchner mit hanseatischer Zurückhaltung – und kocht gern bodenständig VOn Thomas Platt (Texte) und Kai-Uwe Heinrich (Fotos) Als Bobby Bräuer vor Jahren im 40.Stock des Royal Park Hotels zu Tokio traditionelle deutsche Küche vorstellte, sollten Steinpilze geputzt werden. Mit einem Mal verschwanden seine japanischen Helfer allesamt, um kurz darauf in bleckend weißen Gummistiefelchen wiederzukehren, als müssten sie sich im Wald auf die Suche begeben. „Die sahen aus wie die Mainzelmännchen“, sagt Bräuer. Dabei hatten sie nur versucht, die seltsamen japanischen Hygienevorschriften fürs Gemüseputzen einzuhalten. Er brachte ihnen nahe, wie man die empfindliche Ware reinigt: Lediglich mit Hilfe eines scharfen Office-Messers, das den Pilz halbiert, um zu sehen, ob er von Würmern befallen ist, sowie einem feuchten Küchentuch zum Abreiben des Schmutzes. Unter fließendem Wasser würden Stiel und Hut sich voll saugen und das Sautieren zum Kochen geraten lassen. Im übrigen achtet Bobby Bräuer beim Einkauf darauf, dass die Pilze fest sind und einen erdig-frischen Duft verströmen. Auch für sein, wie er sagt „geadelt rustikales Gericht“ werden beste Steinpilze benötigt, weil gerade eine einfache Speise sich in besonderem Maß in die Hand ihrer Zutaten begibt. Sie zu bekommen, dürfte jetzt ohnehin kein Problem sein, denn ihre Qualität steht zu Anfang dieses Monats im Zenit. Was erst ist zu den roten Beten zu sagen, die dem Gericht sozusagen den Generalbass liefern? Die dunkelrote Knolle ist das Cello der Küche und sollte viel häufiger verwendet werden – zum Beispiel abgekocht als Salat mit Olivenöl, Balsamico und Meersalz. Es fällt schwer zu glauben, dass Bräuer in München aufgewachsen ist und dort seine Laufbahn unter der Ägide des berühmten Otto Koch begann, um später die Küche des nicht minder bekannten „Königshofs“ am Stachus zu führen. Seine kühle, beherrschte Art und das Fehlen jeglichen Dialekts weist ihn eher als Hanseaten aus – und so verwundert es, dass sein Geschmackshorizont eindeutig süddeutsch geprägt wirkt und auf mediterrane Einsprengsel nicht verzichtet. Der 41-Jährige, zuvor Küchenchef des Düsseldorfer „Victorian“, verantwortet seit dem Frühjahr das Gourmetrestaurant „Quadriga“ im Hotel Brandenburger Hof und hat damit seinen Lebensmittelpunkt in eine Stadt verlegt, aus deren Bezirk Treptow seine Mutter stammt. Ein zur Schichtarbeiterstulle herab gesunkener Schmaus wie die Blutwurst wird bei ihm wieder zur Delikatesse; schon daran zeigt sich Bräuers Sinn fürs Gerade. „Blutwurst, Äpfel und Kartoffeln sind wie Himmel und Erde“, sagt er. „Die Haselnüsse und Steinpilze vertreten den Herbst. Ursprünglich ist das ein Rumfahrt-Essen: Hinein kommt alles, was rumfährt und fort muss.“ In der engen Küche des Brandenburger Hofs, die nebenher noch das Restaurant „Wintergarten“ beschickt, zugeht wie in einem U-Bahn-Waggon zur Feierabendzeit. Sich in den beiden engen Gängen um den Herdblock nicht die Köpfe anzustoßen, bedarf es eines eingespielten Teams. Während Köche und Kellner gekonnt aneinander vorbei wuseln, führt Bräuer seelenruhig an seinem Platz am Fenster zur Eislebener Straße vor, wie wenig Mühe sein Rezept macht. Sobald die Zutaten in den Metallring eingefüllt sind, braucht es nur Sorgfalt, ihn wieder zu entfernen, damit das Törtchen nicht beschädigt wird. Beim Einkauf von Blutwurst ist Bräuer überkritisch geworden, seit er einmal eine mit Gelatine versetzte erwischt hat, die davonhopste, als er sie mit dem Messer anstechen wollte. In eine Blutwurst gehören Schweineblut, Milch, grüne Speckgrieben, Apfel, Zwiebel, Knoblauch, etwas Zimt sowie klassische Gewürze, die zu einer cremig-lockeren, nicht zu fetten Masse gefügt sein sollten. Dann schmeckt sie unvergleichlich. Restaurant Die Quadriga, Hotel Brandenburger Hof, Wilmersdorf, Eislebener Str. 14, Tel. 21405650 (Mo–Fr, 19–23 Uhr). Am kommenden Mittwoch geht es weiter. In Folge 2 unserer Serie präsentiert Karl Wannemacher vom Alt-Luxemburg sein Lieblingsrezept.

Thomas Platt (Texte), Kai-Uwe Heinrich (Fotos)

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