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Jungbäume an der Nuthestraße/Babelsberger Park gefällt. Trotz Pflegemaßnahmen der Stadt Potsdam vertrocknen die verbliebenen Bäume.

© PNN/Andreas Klaer

„Gigantischer Verlust“: Bald müssen in Potsdam jährlich 2000 Bäume ersetzt werden

Der Bereich Grünflächen schlägt Alarm. Für Nachpflanzungen fehlen heute schon Personal, Geld und Technik. Klimawandel beschleunigt Absterben der Bäume.

Potsdam muss sich auf den Verlust großer Teile seines Baumbestandes in der Stadt einstellen. Von 40.000 Bäumen, die mehr als 50 Jahre alt sind, werde die Hälfte innerhalb der kommenden zehn Jahre eingehen. Das sind durchschnittlich 2000 Bäume pro Jahr, sagte Lars Schmäh, Leiter des Fachbereichs Klima, Umwelt und Grünflächen der Stadt. Er sprach von einem „gigantischen Verlust“, der auszugleichen sei.

Schon heute kommt die Verwaltung wegen unzureichender Kapazitäten bei Personal, Technik und Finanzen kaum mit Nachpflanzungen hinterher. Das 2019 von den Stadtverordneten beschlossene 1000-Bäume-Programm könne bis Ende nächsten Jahres erst zur Hälfte abgearbeitet werden, sagte Schmäh. Von bewilligten 2,5 Millionen Euro für das Programm sei dann eine Million Euro aufgewendet worden.

Schmäh beruft sich bei seiner Prognose auf den Baumzustandsbericht, in dem Satellitenbilder der Bäume, Trends der vergangenen fünf Jahre und jährlichen Begutachtungen des Baumbestands berücksichtigt werden. „Die betroffenen 20.000 Bäume befinden sich bereits im Sterbeprozess“, so Schmäh. Zu diesen Verlusten kämen jüngere Bäume, die ebenfalls absterben, sowie Sturmschäden.

Wir haben schlechte Böden und wir haben einen spürbaren Klimawandel. Das erfordert eine sichere Kinderstube für die Bäume über mehrere Jahre.

Lars Schmäh, Leiter des Fachbereichs Klima, Umwelt,Grünflächen

Aktuell stehen dem Fachbereich für 500 Nachpflanzungen jährlich 2,3 Millionen Euro zur Verfügung. Um die erwarteten zusätzlichen Verluste auszugleichen, werde ein eigenes Baumpflegeteam benötigt, fordert Schmäh. Ein großer Teil der Baumpflege werde von beauftragten Firmen übernommen. Die Erstpflege von neu angepflanzten Jungbäumen sei generell von zwei auf fünf Jahre verlängert worden, weil die Bedingungen schlechter geworden seien. „Wir haben schlechte Böden und wir haben einen spürbaren Klimawandel. Das erfordert eine sichere Kinderstube für die Bäume über mehrere Jahre“, sagte Schmäh.

Monatelange Trockenperioden und starke Hitze setzen den Stadtbäumen zu. Das erfordert Anpassungsstrategien. So werden bei Nachpflanzungen Arten berücksichtigt, die mit dem veränderten Klima besser zurechtkommen sollen, beispielsweise marrokanische Eichen oder Gleditschie, die in der Großbeerenstraße als Alleebäume gedeihen. Bei Alleebepflanzungen würden heute unterschiedliche Arten gepflanzt, um bei Schäden keinen Totalverlust erleiden zu müssen. „Das ist deutschlandweit ein riesiges Experiment“, sagt Jan Lesniak, Leiter des Bereichs Grünflächen. Städte tauschten sich über den Erfolg nachgepflanzter Arten und über wachstumsfördernde Maßnahmen aus.

Markante Stadtbäume sollen gerettet werden

Geschwächte Bäume werden durch zusätzliche Bewässerung gestärkt. Stadtbildprägendes Grün soll gezielt unterstützt werden, damit es nicht abstirbt. So ist für die sichtlich geschädigte Einheitslinde am Filmmuseum und für eins der beiden Quarrees mit etwa 35 Linden am Lustgarten eine Tiefenbewässerung geplant. Über mehr als einen Meter lange Zylinder sollen Wasser und das nährstoffreiche Schwarzerde-Kultursubstrat Terra Preta an die Wurzeln gelangen. Denn die zur Bundesgartenschau gepflanzten Linden müssten eigentlich viel größer sein und ein dichtes Laubdach bilden. Vermutlich wachsen die Bäume auf einem verdichteten Untergrund, vermutet Schmäh. Einst befand sich dort der Zuschauerwall des Ernt-Thälmann-Stadions.

Lars Schmäh, Fachbereichsleiter Klima, Umwelt, Grünflächen (r.), und Jan Lesniak, Bereichsleiter Grünflächen der Stadt Potsdam zeigen die verkümmerte Wurzel einer Jungeiche, die an der Nuthestraße stand und einging.
Lars Schmäh, Fachbereichsleiter Klima, Umwelt, Grünflächen (r.), und Jan Lesniak, Bereichsleiter Grünflächen der Stadt Potsdam zeigen die verkümmerte Wurzel einer Jungeiche, die an der Nuthestraße stand und einging.

© Klaus D. Grote/PNN

Die geplante Baumpflege im Lustgarten kostet 200.000 Euro und wird mit Mitteln des Bundesbauministeriums aus dem Programm zur Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel gefördert. Dies könnte weitere markante Stadtbäume retten, beispielsweise die große Kastanie am Otto-Braun-Platz oder die städtischen Eichen, die vor mehr als 100 Jahren an der Berliner Straße, Jägerallee und Nedlitzer Straße gepflanzt wurden. Der Erhalt der Altbäume sei wichtig für die Biodiversität, so Schmäh. Jungbäume hätten zudem ein viel geringeres Volumen, um Schatten, Sauerstoff und Lebensraum für andere Arten zu bieten.

Der Handlungsbedarf ist groß. 2022 habe es einen Negativrekord mit 1300 „abgängigen Bäumen“ gegeben. 2023 werde wohl nicht besser, so Jan Lesniak. Insgesamt befinden sich 126.000 Bäume in der Verantwortung der Stadt. Die Zahl schließt Friedhöfe und Straßenbäume ein. Bäume in Wäldern, den Schlossparks und privaten Gärten sind nicht mitgerechnet.

Geklärt wurde von Schmäh und Lesniak auch der Verlust von zehn Hainbuchen und zehn Eichen an der Nuthestraße, Höhe Babelsberger Park. Die gefällten Jungbäume hatten zu Verärgerung und drei Kleinen Anfragen des Stadtverordneten Wieland Niekisch (Mitten in Potsdam) geführt, auch weil es zunächst falsche Auskünfte dazu gab. Die Hainbuchen hätten am trockenen Damm der Humboldtbrücke keine Chance gehabt, so Lesniak. Die Bäume würden durch andere Arten ersetzt. Die marrokanischen Eichen, die eigentlich mit Trockenheit gut zurechtkommen, seien erst in diesem Jahr gepflanzt worden und trotz ausreichender Bewässerung eingegangen. Ein ausgegrabener Wurzelballen zeigt den Grund: Die Wurzeln sind stark beschnitten, geradezu verkümmert, teilweise um den Stamm gewachsen.

„Die Wurzelbildung ist katastrophal. Die Baumschule hat einen Totalschaden geliefert“, sagt Lesniak. Die Bäume würden von der Firma ersetzt. Die verbliebenden Eichen erhalten noch eine Chance, vital sehen die Bäume jedoch nicht aus. 2500 Euro kostet ein neuer Baum samt Pflanzung und fünfjähriger Pflege. In diesem und im kommenden Jahr stehen für Neupflanzungen des 1000-Bäume-Programms jeweils 200.000 Euro bereit. Das reicht für je 40 neue Bäume.

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