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Landeshauptstadt: Nicht nur Töpfe

Der Keramikmarkt im Holländischen Viertel ist um Niveau bemüht

Der Keramikmarkt im Holländischen Viertel ist um Niveau bemüht Von Giuseppe Pitronaci Die Funktion einer Spardose ist dem Keramikobjekt nicht sofort anzusehen. Die unrealistische Perspektive des Stuhls mit Münzschlitz ist dabei Absicht. „Ich ließ mich inspirieren von mittelalterlicher Malerei mit ihren Parallel-Linien“, erläutert der Verkäufer das windschief wirkende Kunstwerk. Auch die anderen Keramikprodukte von Vytautas Palmstadt-Paskausas sind mindestens so beeindruckend wie der Name des Künstlers. Der freundliche bärtige Mann aus Litauen studierte Kunst-Keramik an der Kunstakademie in Vilnius. Nun steht er auf dem Töpfermarkt im Holländischen Viertel und erläutert, dass es sich bei den skurrilen Frauenfiguren mit den ausladenden Röcken um Glocken handelt. „Alles selbstgemacht“, sagt er. Dabei deutet sein Arm nicht nur auf seine Verkaufsobjekte, sondern auch auf den Stand, wo sie stehen. Eine Besucherin nähert sich und bewundert eine erdfarbene, wellenförmige Schale mit knallroter Innenwand: „Die Farben sprechen mich sehr an“, meint Jutta Müller. Die Berlinerin erfuhr durch das Radio von dem Markt und kam so zum ersten Mal überhaupt ins Holländische Viertel. An Vytautas’ Stand möchte sie nun aber nichts mehr kaufen. Woanders erwarb sie schon eine Vase, und einen Snack gab’s auch. „Jetzt ist das Limit ausgeschöpft“, so die Besucherin des Töpfermarktes. Dass er dieses Jahr zum zwölften Mal stattfinden konnte, ist Hans Göbel zu verdanken. Nach der Insolvenz des vorherigen Veranstalters Sven Tietze übernahm er kurzfristig die Organisation. „Wir hatten gerade mal vier Wochen Zeit für Werbung“, meint der Bewohner des Holländischen Viertels, der auch für das Tulpenfest verantwortlich ist. Dadurch, dass auf eine weitere Standmiete der Händler nach dem Konkurs verzichtet wurde, konnte der Markt dennoch stattfinden. Jedoch mussten dafür mehr sachfremde Stände als sonst hinzugenommen werden. Und auch das Schautöpfern fiel diesmal aus. Das soll nächstes Jahr wieder anders werden. Dann soll zum ersten Mal auch eine Töpferwerkstatt für Kinder angeboten werden. „Mir geht es darum, etwas für das Viertel zu tun. Die Interessen der Bewohner, Markthändler und Gewerbetreibenden müssen dabei gleichermaßen berücksichtigt werden“, beschreibt Göbel seine Bemühungen. Auf 100 schätzt er dieses Jahr die Zahl der Stände, ohne Imbisse. Etwa 80 davon bieten selbstgemachte Keramik an. Ansonsten gibt es unterschiedliche Produkte wie Glaswaren, Modeschmuck oder Filzhüte. „An einigen Ständen gibt es sehr gute Keramik. Aber es gibt auch viel schlimmen, bösen Kitsch“, findet Reinhild Alber. Die Töpferin aus Hessen verkauft an ihrem Stand unter anderem Porzellan, auf dem sie Gedichtfragmente von Joachim Ringelnatz oder Ingeborg Bachmann schreibt. „Ein Markt züchtet sich sein eigenes Publikum“, meint sie und kritisiert damit das allgemeine Niveau der Potsdamer Veranstaltung. „Letztes Jahr war das Niveau deprimierender“, erwidert eine Kundin, die im Viertel wohnt, und ergänzt: „Es ist gut, wenn auch für die Kunden etwas angeboten wird, die nicht viel Geld haben. Der Markt sollte nicht elitär sein.“ Dann erscheint Göbel an dem Stand, der bei den Händlern das Stimmungsbild einfängt. Er vermutet, dass 25000 Besucher den Markt dieses Jahr besucht haben. Nächstes Jahr plant er, das Angebot sachfremder Anbieter zu reduzieren, um das Profil als Keramikmarkt zu schärfen. Ob die Kunden dann mehr einkaufen werden, liegt aber nicht in seiner Macht. Die Kaufzurückhaltung aufgrund der wirtschaftlichen Situation wurde von Händlern immer wieder angemerkt. Immerhin gab es Spardosen zu kaufen. Mit windschiefer Perspektive.

Giuseppe Pitronaci

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