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Landeshauptstadt: Die Poesie des Unscheinbaren

Kamera-Workshop im Rahmen des Potsdamer Filmwettbewerbs „Vision Possible 2010“

Kamera-Workshop im Rahmen des Potsdamer Filmwettbewerbs „Vision Possible 2010“ Nahezu bedrohlich richtet Torsten Lüders die kleine Handkamera auf das Gesicht des Mädchens. Langsam fährt die Kamera hinunter auf ihre Hände, verweilt dort für einen kurzen Augenblick und gleitet dann hinüber zu ihrer Nachbarin. 30 Augenpaare sind auf den Fernsehbildschirm gerichtet, der auf dem Boden des Probenraums im T-Werk steht, und verfolgen die Kamerabewegung. „Hier habt ihr den beobachtenden Schwenk gesehen“, erklärt Lüders den auf den Zuschauerbänken verteilten Teilnehmern des Kameraworkshops, der anlässlich des Filmwettbewerbs Vision-Possible-2010 an diesem Sonnabend stattfindet. Im Rahmen der Potsdamer Kulturhauptstadtbewerbung startete der Wettbewerb im vergangenen November. Etwa 100 Bewerber im Alter von zehn bis 68 Jahren haben sich gemeldet und ihre Filmvorschläge – Visionen über die Stadt Potsdam – eingereicht. „Vom Agententhriller bis zur Liebesgeschichte haben wir alles dabei“, erzählt Pressesprecherin Katja Dietrich. Eine junge Frau schaut gar aus der Sicht eines Hundes auf die Landeshauptstadt. Lüders ist begeistert. „Es ist immer gut einen eher ungewöhnlichen Blickwinkel zu haben.“ Er muss es wissen. 2003 wurde der Absolvent der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen für seinen Kurzfilm „Wetka“ mit dem Deutschen Kamerapreis ausgezeichnet. Wenige der auf den Zuschauerreihen sitzenden Teilnehmer haben schon größere Erfahrungen mit der Kamera gemacht. Geduldig weist sie Torsten Lüders nun in die Grundlagen der Kameraarbeit ein, bevor sie am Nachmittag vom Regisseur Thomas Frick im nächsten Workshop die Grundlagen der Regiearbeit erlernen. Perspektive, Einstellungen, Effekte. Torsten Lüders schafft es immer wieder, die Begriffe anschaulich darzustellen. So legt er die Kamera auf den schwarzen, hölzernen Fußboden und richtet sie hinauf in das lachende Gesicht von Katja Dietrich: „Der Frosch schaut die Prinzessin an.“ Eine Minute später stellt er die Digitalkamera auf seine Schulter, und vergleicht sie mit einem Vogel der dort sitze und hinunterschaue – Vogelperspektive. So einfach ist das. Einige wenige Kursteilnehmer machen sich Notizen, doch die meisten hören einfach konzentriert zu. Viele scheinen dabei das eben Gelernte schon gedanklich in ihrer Filmidee zu verarbeiten, das Machbare abzuwägen. „Lasst bloß die Finger von den Effekten.“ Immer wieder springt Regisseur und Mitarbeiter der Medienwerkstatt Michael Kann dem Kameramann hilfreich zur Seite. „In der Kunst ist die einfachste Lösung oft die überzeugendste“, so Kann. Auch bei der Story sei weniger oft mehr. Andreas Dresen, Regisseur von „Halbe Treppe“, habe mal gesagt: „Erzählt doch mal “ne Geschichte von eurem Nachbarn hinterm Gartenzaun.“ Die Poesie liege häufig im Unscheinbaren, im Alltäglichen und Unbeachteten. Bis April haben die Teilnehmer des Wettbewerbs noch Zeit, ihre persönlichen Potsdam-Visionen filmisch zu verwirklichen. 30 bis 180 Sekunden darf der Beitrag lang werden. Eine siebenköpfige Jury entscheidet dann über die drei besten Filme – mit dabei auch Andreas Dresen, der auch Kulturhauptstadt-Botschafter ist. Ein Preisgeld von bis zu 1500 Euro können die Gewinner dann mit nach Hause nehmen. Darum aber geht es vielen nicht. „Ich möchte vor allem etwas lernen“, sagt Yevgen Karljuk. Der 19-jährige Ukrainer hat sich den Potsdamer Weihnachtskalender der Stadtwerke für seine Geschichte vorgenommen. Hinter jeder Tür stecke eine Geschichte, erzählt er. „Bei 180 Sekunden werde ich mich auf drei bis vier Türen beschränken müssen.“ Sein Budget und die technischen Hilfsmittel seinen obendrein sehr knapp bemessen. „Die Geschichte, die ihr produzieren werdet, wird nicht mit einem Film von Steven Spielberg zu vergleichen sein“, erklärt Michael Kann. Aber er ist sich sicher, das etwas Witziges und auch ganz Neues mit diesen Filmen entstehen wird. Marion Schulz

Marion Schulz

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