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Ausnahmezustand in Berlin: Über 1500 Notrufe: Feuerwehr durch Blitzeis im Dauereinsatz

Hunderte Unfälle, Rettungswagen im Dauereinsatz und rutschende Fußgänger – seit Montagmorgen macht Blitzeis Berlins Straßen und Gehwege unsicher. Die Feuerwehr rief den Ausnahmezustand aus und hatte schon um 16 Uhr über 1500 Notrufe erhalten.

"Seit 8.36 Uhr befindet sich Berlin im Ausnahmezustand", teilte der Lagedienst der Berliner Feuerwehr am Montagmorgen mit. Wann der Ausnahmezustand wieder aufgehoben wird, ist noch völlig unklar. "Das weiß nur der liebe Gott", hieß es in der Leitstelle. Die Rettungskräfte hatten sich zu diesem Schritt entschlossen, nachdem die Zahl der Notrufe seit 8 Uhr drastisch gestiegen war. "Wir bekamen drei bis vier Anrufe in der Minute", sagte ein Sprecher. Um 10 Uhr waren bereits mehr als 600 Einsätze aufgelaufen. Bis 16 Uhr erreichten die Feuerwehr insgesamt 1550 Notrufe, 700 davon eisbedingt. Normal ist eine Zahl von 1000 Einsätzen in 24 Stunden.

Um 10.35 Uhr verbreitete die Feuerwehr über ihren SMS-Warndienst "Katwarn" die Meldung des Deutschen Wetterdienstes: "Extremwetterlage, gültig ab sofort. Zu Hause bleiben." Auch die Berliner Polizei zählte schon am Morgen hunderte Unfälle. Von 7 bis 8 Uhr früh waren es 29, dann schnellten die Zahlen nach oben: Von 8 bis 9 Uhr waren es 137, von 9 bis 10 Uhr schon 157 Unfälle. Auf dem Weg zur Arbeit sind offenbar viele Berliner auf den glatten Gehwegen gestürzt, auf den Straßen krachten Autos ineinander.

Überwiegend seien es Sturzverletzungen, sagte eine Feuerwehrsprecherin. Durch das sehr hohe Notrufaufkommen müssen Verletzte derzeit deutlich länger auf einen Rettungswagen warten als üblich. Nach einem schweren Unfall war die Hansabrücke zwischen Altonaer und Levetzowstraße gesperrt. Bekanntlich wird es auf Brücken besonders glatt.

Patientenansturm im Unfallkrankenhaus Berlin

Im Unfallkrankenhaus Berlin gab es einen Patientenansturm. "Die Feuerwehr hat die Verletzten auch in Löschzügen vorbeigebracht, weil sie nicht mehr genug Rettungswagen hatte", sagte Sprecherin Angela Kijewski der Nachrichtenagentur dpa. Innerhalb von zwei Stunden seien 41 Menschen nach Stürzen oder Unfällen eingeliefert worden. "Es gab Hüftbrüche und ausgekugelte Hüften. So etwas tut höllisch weh", ergänzte Kijewski. Der jüngste Patient sei 14, der älteste 93. Die Ärzte behandelten neben vielen Brüchen auch Sprunggelenksverletzungen, Bänderdehnungen und Platzwunden am Kopf. In der Regel werden sonst rund 90 Patienten pro Tag in die Klinik gebracht.

Warnstufe orange gilt bis 16 Uhr

Die Feuerwehr mahnt alle Verkehrsteilnehmer zu besonderer Vorsicht. "Radfahren geht meiner Ansicht nach im Moment gar nicht", fügte der Sprecher hinzu. Die "rote" Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes ist von 12 auf 13 Uhr verlängert worden.  Von 13 bis 16 Uhr gilt anschließend wieder die Warnstufe orange.

BVG warnt alle Fahrgäste

Bei der Bahn gab es bis 11 Uhr keine Probleme mit dem Wetter, die Züge fuhren pünktlich. Die BVG  warnte mit Durchsagen der Leitstelle alle Fahrgäste, beim Verlassen der Bahnhöfe und auf oberirdischen Bahnsteigen vorsichtig zu sein. Nach einem Kurzschluss musste um 11.45 Uhr der Verkehr auf der U1 zwischen Warschauer Straße und Kottbusser Tor eingestellt werden. Nach 13 Uhr fuhren die Züge Richtung Warschauer Straße wieder bis Schlesisches Tor. Unklar blieb bis dahin, wo der Fehler zu suchen sei, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz. Der Stromausfall habe vermutlich nichts mit dem Eisregen zu tun, sicher sei das aber nicht. Bei Bus und Straßenbahn habe sich der Verkehr gegen 12 Uhr normalisiert, sagte Reetz weiter.

Neun zusätzliche Rettungsfahrzeuge im Dienst

In einer ersten Reaktion stellte die Feuerwehr drei Löschfahrzeuge außer Dienst und verteilte die Besatzungen auf neun Rettungsfahrzeuge, die nun zusätzlich Einsätze abarbeiten. Weil es weiter kalt bleibt und Niederschläge erwartet werden, könnte Berlin am Dienstagmorgen unter einer geschlossenen Schneedecke liegen, die vorerst auch bleibt – und höchstwahrscheinlich noch mehr von der tückischen Glatteisschicht verbirgt.

Der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier lobte die S-Bahn über Twitter: #Blitzeis ist offenbar ideal für Schienen. Fährt 'glatt' durch, funzt und nette Fahrgäste." Um 11.17 Uhr verschärfte der Deutsche Wetterdienst seine Warnung von orange ("markantes Wetter") auf die zweithöchste Stufe "Rot" (Unwetter).

Berliner Flughäfen ohne größere Probleme

Lars Wagner, Pressesprecher der Flughäfen, sagte um 11 Uhr, dass es nur geringe witterungsbedingte Verspätungen gebe. Das Streuen der Start- und Landebahnen und das Enteisen der Tragflächen startender Flugzeuge funktioniere gut.  Für die Pisten hat die Flughafengesellschaft ein  Fahrzeug, dass die Glätte misst, ein so genannten "Friction Tester"

300 Mitarbeiter stehen in Tegel und Schönefeld für den Einsatz im Winterdienst bereit,  hieß es.  Es gibt 50 flughafenspezifische Großräumgeräte und 21 Enteisungsfahrzeuge für Tragflächen. Die Flughafengesellschaft hat für diesen Winter vier neue Räumzüge in Dienst gestellt. 

Kräftiger Ostwind lässt die Temperaturen sinken

„In Danzig sind schon minus sechs Grad“, sagte Jörg Riemann vom Wetterdienst Meteogroup am Sonntagnachmittag. „Und das ist die Richtung, aus der der Wetterwechsel kommt.“ Bei heftigem Ostwind werden sich die höchstens ein, zwei Grad plus am Montag schon anfühlen wie strenger Frost. Dazu kann es leicht regnen oder graupeln. „Am Abend kommt dann die richtig kalte Luft rein“, sagt der Meteorologe: Bei etwa minus zwei Grad gefriert die Feuchtigkeit auf dem Boden, und der Niesel geht in Flocken über. Drei Zentimeter Schnee seien am Dienstagmorgen durchaus möglich.

Damit sind Verkehrsprobleme absehbar, obwohl die BSR bereits gewarnt und startklar ist. Zumal es bei Dauerfrost bleibt und die Temperaturen noch weiter sinken sollen: von Mittwoch bis Freitag sind tagsüber minus fünf und nachts minus zehn Grad realistisch, sofern das Wetter tut, was die Meteorologen von ihm erwarten: Für derart kalte Nächte muss es nämlich auch wirklich geschneit haben und nachts aufklaren. Der Trost: Das Pendant zu klaren Nächten sind sonnige Tage, und der Wind lässt schon am Dienstag wieder nach. Drei Tage „Winter wie aus dem Bilderbuch“ stellt Riemann in Aussicht. Dass es mehr werden, sei unwahrscheinlich, weil am Wochenende das nächste Tief die Frostluft wieder ein Stück nach Osten schiebt.

Letztlich resultiert unser Wintereinbruch aus einem Kampf zweier Giganten, bei dem mal der eine und mal der andere ein paar hundert Kilometer gutmacht: Immer neue Tiefs wirbeln vom Atlantik her gegen eine kalte und deshalb besonders schwere Luftmasse an, die sich über Skandinavien und Osteuropa festgesetzt hat. Sobald die wieder zurückgedrängt ist, geht es nasskalt weiter. Die weiteren Aussichten: Schnupfenwetter.

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