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Vor dem Hintergrund des Brandanschlags auf eine Kirche im südbrandenburgischen Spremberg hat das Bündnis #unteilbar-Spremberg am Samstag ein Fest für Solidarität und Vielfalt organisiert.

© dpa/Silke Nauschütz

Nach Anschlag auf Brandenburger Kirche: Ein Fest für Vielfalt in Spremberg – Pfarrer bedroht

Solidarität statt rechter Hetze: Die Initiative #unteilbar-Spremberg reagiert damit auch auf den Wurf eines Brandsatzes auf eine Regenbogenfahne.

Von Silke Nauschütz, dpa

Der Bäcker am Markt im südbrandenburgischen Spremberg bekommt an diesem Julitag Konkurrenz: Viele selbstgemachte Leckereien von geflüchteten Frauen werden an einem der Stände des Bündnisses #unteilbar-Spremberg angeboten, bunte Regenbogenschirme sind aufgespannt. Gefeiert wird ein Fest für Solidarität und Vielfalt - schon zum dritten Mal, es hat damit fast schon Tradition.

Und in diesem Jahr hat es noch einen anderen Hintergrund, denn erst kürzlich hatten unbekannte Täter in der Stadt im Spree-Neiße-Kreis einen Brandsatz auf eine Regenbogenfahne geworfen, die am Glockenstuhl einer Kirche hing. Dort hatten Menschen zum Christopher Street Day eine Filmveranstaltung besucht. Neben der Fahne entstand laut Polizei in etwa vier Metern Höhe an der Giebelwand eine Verrußung, auch auf Bodenplatten vor dem Turm gab es Rußspuren. Verletzt wurde glücklicherweise niemand, nun ermittelt der Staatsschutz.

Rund 200 Menschen sind gekommen

Die Attacke auf die Regenbogenfahne liegt etwa eine Woche zurück, als am Samstag das Fest für Solidarität und Vielfalt gefeiert wird. Rund 200 Menschen sind gekommen, sitzen in Liegestühlen oder an Bierbänken, Kinder laufen mit bunten Luftballons über den Platz. Die Veranstaltung und den Bäcker trennt nur ein schmaler Weg, Gäste sitzen bei Kaffee und Kuchen und blicken neugierig auf die Akteure des Festes, manche informieren sich an einem Stand auf dem Markt, nehmen ein Getränk an der „Unteilbar“. Auch zwei stadtbekannte Anhänger der rechtsextremen Szene beobachten das Fest von Weitem. Später versuchen Anhänger der rechtsextremen Szene auch wiederholt, die Veranstaltung zu stören.

Bürgermeisterin Christine Herntier ist gekommen, der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein und Kulturstaatssekretär Tobias Dünow. Sie alle sprechen dem Bündnis Mut zu. Dünow verurteilt die Tat als „eklig“. Ein Brandanschlag auf eine Gemeinde, die sich explizit für Toleranz und gegen Diskriminierung einsetze, in unmittelbarer Nähe zu schlafenden Menschen - all das sei an Schändlichkeit nicht zu überbieten, sagt der Kulturstaatssekretär. Er dankt Pfarrer Lukas Pellio und seiner Gemeinde für ihr ausdauerndes Engagement und versichert: „Wir als Land stehen an Ihrer Seite!“

Ein unbequemes Thema für die Stadt

Bischof Stäblein spricht von einem Brandanschlag, der „feige, widerlich, gefährlich und abstoßend“ sei. „Gott hat die Welt bunt und solidarisch geschaffen. Lasst uns nicht zulassen, dass das kaputt geht. Lasst uns das feiern. Und lasst uns da aufstehen, wo Gewalt einzieht, und Angst gemacht werden soll“, sagt Stäblein in seiner Rede. Die Kirche sei ein Schutzraum. „Wer diesen Schutzraum angreift, greift uns alle, greift euch alle an.“

Das Thema ist unbequem für die Stadt Spremberg, die mitten im Strukturwandel steckt und für sich selbst mit dem Slogan „Perle der Lausitz“ wirbt. Erste Ansiedlungsbemühungen im Industriegebiet Schwarze Pumpe zeigen Erfolg. Die Stadt braucht Weltoffenheit für Zuzug und Fachkräfte. Auch bundesweit gibt es viel Aufmerksamkeit. Im Februar übergab Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für den Aufbau eines Wasserstoff-Speicherkraftwerks im Industriepark Schwarze Pumpe Förderbescheide über 28,5 Millionen Euro.

Bürgermeisterin Christine Herntier, die für die Lausitzer Kommunen in Brandenburg in der Kohlekommission saß, will nach vorne denken, wie sie sagt. Das Fest sei notwendig. Zwei rechtsextreme Vorfälle an Schulen in Spremberg seien angezeigt worden, das Bewusstsein sei geschärft worden, sagt die Bürgermeisterin. Sie könne die Bürger nur ermutigen, sich zu melden. Den Stadtverordneten habe sie gesagt: „Rechtsextremismus lauert immer und wenn er dann vorkommt, dann erschrickt man sich.“ Viele wollten sich mit dem Thema nicht befassen. „Da müssen wir nachschärfen.“ Um tiefe Strukturen und Netzwerke des Rechtsextremismus zu erkennen, dafür gebe es institutionelle Einrichtungen, sagt die parteilose Politikerin.

Ein Verfasser des Lehrer-Brandbriefs ging in Spremberg zur Schule

Inzwischen spricht der Burger Lehrer Max Teske. Er und seine Kollegin Laura Nickel hatten rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule öffentlich gemacht und damit eine bundesweite Debatte ausgelöst. Teske ist in Spremberg zur Schule gegangen. Der 31-Jährige berichtet, wie er Gewalt, Rassismus und Mobbing erlebt hat. „Das ist genau die richtige Haltung, die wir in diesen Zeiten einfach brauchen“, ruft er den Gästen des Festes zu. „Wir sind alle hier, um in Spremberg zu zeigen: Wir sind vielfältig und bunt, wir lassen uns diese Stadt niemals wegnehmen.“ Ganz Brandenburg, ganz Deutschland müsse ein sicherer Raum für alle Menschen werden.

Während des Festes versuchen Anhänger der rechtsextremen Szene wiederholt, die Veranstaltung zu stören. Die Polizei zeigt Präsenz und erteilt Platzverweise. Eine Drohung, die gegenüber dem Pfarrer der angegriffenen Kirche, Lukas Pellio, ausgesprochen wird, kann sie trotzdem nicht verhindern. Pellio berichtet der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag, ein Mann habe ihm gesagt: „Wenn du so weitermachst, wirst du hier nicht mehr froh. Dafür sorge ich.“ Der Pfarrer zeigt die Drohung an. (dpa)

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