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Brandenburg: Erste Erfolge gegen jugendliche Intensivtäter 40 Prozent der Serientäter sind verurteilt

Berlin - Mohammed (Name geändert) ist gewissermaßen noch in der Ausbildung: Mit sieben ist er das erste Mal beim Klauen erwischt worden, mit zehn hat er ein gleichaltriges Mädchen missbraucht und mit elf einen bewaffneten Raubüberfall begangen. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen das Kind aber immer wieder ziehen lassen – bis er 14 und damit strafmündig ist.

Berlin - Mohammed (Name geändert) ist gewissermaßen noch in der Ausbildung: Mit sieben ist er das erste Mal beim Klauen erwischt worden, mit zehn hat er ein gleichaltriges Mädchen missbraucht und mit elf einen bewaffneten Raubüberfall begangen. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen das Kind aber immer wieder ziehen lassen – bis er 14 und damit strafmündig ist. Doch dann, sagt Oberstaatsanwalt Roland Reusch, ist es vermutlich zu spät. „Dann ist der Junge ein ausgebildeter Schwerverbrecher.“ Auf den Schreibtischen der Abteilung 47, die bei der Berliner Staatsanwaltschaft für die jugendlichen Intensivtäter zuständig ist, stapeln sich die Akten – und es werden immer mehr: Vor eineinhalb Jahren haben die Ankläger die Abteilung gegründet und mit etwa 100 Fällen begonnen; jetzt stehen 273 Serientäter auf der Liste. Das ist nicht auf steigende Kriminalität zurückzuführen. Es liegt vor allem daran, dass die Akten der Polizei und Justiz vorausschauend auf Kandidaten durchforstet werden. 240 Anklagen hat die Abteilung seit ihrem Bestehen auf den Weg gebracht. Nach eineinhalb Jahren zeichnen sich für die Berliner Staatsanwälte deutliche Tendenzen ab: „Viele beginnen ihre kriminelle Karriere schon als Kinder“, sagt Reusch, der Abteilung 47 leitet. Erst Anfang Januar hatte die Polizei zwei Jugendliche festgenommen, die ein siebenstöckiges Haus in Wedding abgebrannt haben sollen. Beide sind polizeibekannt, der eine taucht seit seinem fünften Lebensjahr in den Akten auf. Im Oktober 2003 gab es in Berlin rund 200 Dreizehnjährige, auf deren Konto mindestens ein Raub oder eine gefährliche Körperverletzung sowie eine andere Straftat gegangen ist. Reusch: „Elf davon sind als Jugendliche dann auf unserer Liste gelandet.“Als Intensivtäter gilt, wer durch eine hohe Zahl an Straftaten oder durch besondere Gewaltbereitschaft auffällt und bei dem damit zu rechnen ist, dass er weiter kriminell sein wird. Für diese Täter sind dann immer dieselben Kriminalbeamten und Staatsanwälte zuständig. Inzwischen, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Manfred Schweitzer, zeigt die Arbeit der Abteilung 47 mittelbar Wirkung. Ganze Gruppierungen seien zerfallen, wie die Polizei beobachtet habe, weil die Anführer im Gefängnis sitzen. Die Staatsanwälte befassen sich immer wieder mit den gleichen Tatorten: Ein Großteil der jugendlichen Serientäter lebt in den Problemkiezen von Kreuzberg, Neukölln und Wedding. Etwa 80 Prozent der Täter sei nichtdeutscher Herkunft, ihre Eltern stammen vor allem aus der Türkei, dem Libanon oder dem ehemaligen Ostblock. Sie wachsen in einem Umfeld auf, in dem Kriminalität eher zum Alltag gehört. Im Kiez seien die Jugendlichen in der Regel in Gruppen unterwegs, auf der Suche nach leichten Opfern: jüngere Jugendliche, Frauen, Kinder, Alte. Die Motive? „Machogehabe, Bereicherungsabsicht, Machtausübung und die Freude anDemütigung“, sagt Reusch. Inzwischen seien auch „die Mädchen im Kommen“. Waren sie vor eineinhalb Jahren auf der Liste gar nicht vertreten, sind jetzt 14 Serientäter weiblich – je zur Hälfte deutscher und nicht-deutscher Herkunft. Es gibt aber auch erfreuliche Entwicklungen. In bestimmten Gegenden, wie dem Neuköllner Rollbergviertel, sei die Kriminalität durch die härtere Gangart der Staatsmacht zurückgegangen, sagt Reusch. Die Zusammenarbeit mit der Polizei sei hervorragend, auch die Jugendrichter „ziehen gut mit“. „Der Bereich Straßenraub hat sich deutlich beruhigt“. Rund 40 Prozent der 273 Serientäter sind inzwischen zu Gefängnis verurteilt worden oder verbüßen ihre Strafen in Erziehungsheimen in der fernen Provinz. Bewährt hat sich offenbar die Strategie, die Jugendlichen „von der Straße zu holen“, sie also von ihrer Familie, den Freunden und dem Kiez für längere Zeit zu trennen – durch Gefängnisse oder stadtferne Erziehungsheime. „Je früher man die Chance hat zuzugreifen, desto besser“, sagt Reusch. Es gibt Intensivtäter auf der Liste, deren Strafakte früher von Woche zu Woche angewachsen sei, sagt er. „Aber von denen haben wir inzwischen seit Monaten nichts gehört.“

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