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Amtseinführung: Was Barack Obama erwartet

Barack Obama wird an diesem Dienstag als 44. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Mit welchen Problemen sieht er sich ab sofort konfrontiert?

INNENPOLITIK

Die internationale Finanzkrise hat die Erwartungen an Barack Obama radikal verschoben. Als er vor knapp zwei Jahren, im Februar 2007, seinen Präsidentschaftswahlkampf begann, standen ein Ende des Irakkriegs und die Heimkehr der Soldaten ganz oben auf der Wunschliste. Sein zweitwichtigstes Versprechen war damals die Einführung einer Krankenversicherung für alle. Heute lauten die ersten drei Prioritäten: Jobs, Jobs und nochmals Jobs. Im Laufe des Wahljahrs 2008 sind die Wirtschaftsprobleme in den Mittelpunkt gerückt. Obama erbt von Bush eine Wirtschaft im Niedergang. Die Arbeitslosenrate, die in den Jahren zuvor zwischen vier und fünf Prozent lag, ist im Dezember auf 6,7 Prozent gestiegen. Für 2009 wird mit über acht Prozent gerechnet, für Amerika eine schockierende Zahl.

Die Haupthoffnung der Bürger ist: Obama soll die Talfahrt beenden, Menschen vor Jobverlust und Zwangsversteigerung retten, einen neuen Aufschwung bewirken. Der künftige Präsident dämpft die Erwartungen: Es werde noch schlimmer kommen, ehe es besser werden könne. Allgemein wird damit gerechnet, dass Chrysler, einer der drei großen Autobauer neben GM und Ford, pleitegeht. Die Elektronikkette Circuit City und der Haushaltswarenkonzern Linnen&Things haben Bankrott angemeldet.

Aus Furcht vor einer Abwärtsspirale hat der Kongress noch unter Bush ein 700 Milliarden Dollar teures Rettungspaket geschnürt. Obama bereitet ein weiteres Konjunkturprogramm von 800 Milliarden Dollar vor. Politiker, die vor überzogener Verschuldung warnen und Budgetdisziplin fordern, finden kaum Gehör. Die paradoxe Lage bei Obamas Amtsantritt: Er erbt ein Land in einer schweren Krise, die alle seine Wahlkampfversprechen in den Hintergrund drängt. Aber zugleich steht ihm kampflos all das Geld zur Verfügung, das er für seine Reformprogramme braucht. In normalen Zeiten hätte er die Mittel in mühsamer politischer Kleinarbeit organisieren müssen.

Vor wenigen Monaten hatten Demokraten und Republikaner, zum Beispiel, noch erbittert gestritten, ob sich das Land die Einführung der allgemeinen Krankenversicherung leisten könne; denn die würde geschätzte 200 Milliarden Dollar kosten. Nun darf Obama ein Mehrfaches dieser Summe ausgeben. Er und die Demokraten werden bei der Kongresswahl in zwei Jahren daran gemessen, ob es aufwärts geht oder nicht. Christoph von Marschall

KLIMAPOLITIK

Die Zeit des Nichtstuns in Sachen Klimaschutz ist zu Ende, wenn Barack Obama sein Amt als neuer amerikanischer Präsident antritt. Obama sieht im Kampf gegen die globale Erwärmung eine existenzielle Notwendigkeit, aber auch ein Konjunkturprogramm. An erster Stelle steht sein Ziel, mit 150 Milliarden Dollar über zehn Jahre rund fünf Millionen neue „grüne Jobs“ zu schaffen. Sie sollen beim Ausbau erneuerbarer Energien entstehen. Denn bis 2012 sollen zehn Prozent des Stroms aus Wind, Sonne, Biomasse oder Wasserkraft stammen, bis 2025 sollen es 25 Prozent sein. Deutschland will bis 2020 bei 35 Prozent liegen. Obama fordert eine Million Elektro- oder Hybridfahrzeuge, die auf 150 Kilometer nicht mehr als eine Gallone (rund 3,8 Liter) verbrauchen sollen. Mit vier Milliarden Dollar soll die US-Autoindustrie befähigt werden, diese Fahrzeuge auch zu bauen. Die Verbrauchsvorgaben für Autos sollen verschärft werden, und durch den massiven Einsatz von Agrartreibstoffen soll der Kohlendioxid-Ausstoß des Verkehrs bis 2020 um zehn Prozent sinken. Ebenfalls Teil des amerikanischen Modernisierungsprogramms für die Wirtschaft: Die USA sollen effizienter werden. Bis 2020 soll der Stromverbrauch um 15 Prozent sinken. Und in den kommenden zehn Jahren sollen jährlich eine Million Häuser von Menschen mit geringeren Einkommen isoliert werden. Das hilft dem Klima und den sozial Schwachen.

Obamas Zielvorgaben sind eindeutig. Das Kernstück: Bis 2050 soll der Treibhausgasausstoß der USA um 80 Prozent niedriger liegen. Klingt beeindruckend, doch ist die Vergleichsgröße derzeit noch unklar. Ist es das Jahr 1990, das auch im Kyoto-Protokoll als Referenzjahr dient? Oder ist es das Jahr 2000, das Obama als Vergleichsgröße für sein mittelfristiges Ziel genannt hat. Erreicht werden soll dieses Ziel auf jeden Fall mit einem Emissionshandel, der sämtliche Wirtschaftsbereiche umfasst. Der europäische Emissionshandel betrifft bisher nur die Industrie und damit etwa die Hälfte des europäischen Treibhausgasausstoßes. Klar ist, dass Obama mit dieser Klimapolitik auch bei den internationalen Klimaverhandlungen, die er ausdrücklich begrüßt, wieder eine führende Rolle spielen wird. Aber nicht alles wird neu sein: Die „saubere Kohle“, also Kraftwerke, bei denen Kohlendioxid abgeschieden und unterirdisch gelagert wird, soll gefördert werden. Es soll auch weiter nach Öl und Gas gebohrt werden – auch in Alaska trotz aller Bedenken, was das dortige Ökosystem angeht. Dagmar Dehmer

AFGHANISTAN

Eines der wichtigsten Themen auf Obamas außenpolitischer Agenda ist die Befriedung Afghanistans. Dabei setzt der künftige US-Präsident offenbar auf die Ausweitung internationaler Truppen. Die USA, die seit 2001 stets den größten Anteil an der von der Nato geführten Afghanistan-Schutztruppe Isaf hatten, wollen ihr Personal am Hindukusch nach US-Medienberichten fast verdoppeln. Die „Washington Post“ geht von 30 000 zusätzlichen amerikanischen Soldaten für Afghanistan aus. Derzeit sind 32 000 US-Soldaten am Hindukusch stationiert und sind dort vor allem im als gefährlich eingestuften Süden des Landes im Einsatz. Mit der massiven Aufstockung der Truppen bedient sich Obama der im Irak erfolgreichen Strategie des ehemaligen Oberkommandierenden der internationalen Truppen, General David Petraeus: Er hatte die Zahl der im Irak eingesetzten Soldaten in den vergangenen zwei Jahren von 30 000 auf 170 000 erheblich erhöht und damit eine Beruhigung der Sicherheitslage im Land erzielt. Seit dem 31. Oktober 2008 hat der General nun den Oberbefehl über sämtliche im Mittleren Osten und in Zentralasien stationierten US-Soldaten und kommandiert somit auch die amerikanischen Truppen in Afghanistan. Die Soldaten, die bislang im Irak stationiert waren, dürften nun am Hindukusch zum Einsatz kommen.

Darüber hinaus erwarten Experten, dass Obama auch von den anderen an Isaf beteiligten Nationen zusätzliches Engagement in Afghanistan verlangen wird. Forderungen nach entsprechender Solidarität dürften auch Deutschland erreichen. Zwar ist die Bundesrepublik mit bis zu 4500 Soldaten am Hindukusch derzeit drittgrößter Truppensteller. Bislang ist Deutschland Führungsnation im vergleichsweise ruhigen Norden des Landes. Ob es allerdings dabei bleiben wird, ist angesichts jüngster Entwicklungen fragwürdig. Sollte sich die Sicherheitslage in anderen Regionen verschärfen, dürften die USA auch dort mehr Unterstützung der Bündnispartner einfordern. Zudem arbeiten Obamas Fachleute offenbar an einer in den vergangenen Jahren immer wieder monierten Gesamtstrategie für den Einsatz in Afghanistan. Auch ein Termin für den Abzug der Truppen könnte dabei eine Rolle spielen. Diese könnte bereits beim kommenden Nato-Gipfel im April auf der Agenda stehen. Obama hatte im Wahlkampf um die Präsidentschaft angekündigt, er wolle den Krieg in Afghanistan erfolgreich beenden. Sarah Kramer


RUSSLAND

Raketenschild, Nato-Erweiterung, Anti-Terrorkampf: So ziemlich jedes große internationale Konfliktfeld hat etwas mit den russisch-amerikanischen Beziehungen zu tun. Das war unter George W. Bush so, und das bleibt erst recht so unter seinem Nachfolger Barack Obama, denn in keinem der bilateralen Streitpunkte zeichnet sich eine rasche Lösung ab. Das liegt vor allem an der Unübersichtlichkeit internationaler Sicherheitsprobleme, denen sich Obama, aber auch der russische Ministerpräsident Wladimir Putin gegenübersehen. Beispiel Raketenschild: Das Abwehrsystem richtet sich erklärtermaßen gegen Raketen aus unsicheren Staaten wie Nordkorea, Iran oder eines Tages vielleicht Pakistan. Kaum jemand in Washington erwartet deshalb, dass der neue und alte US-Verteidigungsminister Gates die Planungen für das milliardenschwere Abwehrsystem einfach in den Müll werfen wird. Das wissen auch Moskaus Generäle genau. Der anhaltende, rituelle Protest Russlands gegen das Abwehrsystem dient eher dazu, die in Sicherheitsfragen stets wankelmutige europäische Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen – um etwa im Hinterhof Kaukasus eigene Großmachtinteressen ungestörter durchsetzen zu können. Wie sich Obama hier verhält, ist die spannendere Frage als die nach dem Raketenschild. Wird auch Barack Obama die von Georgien und der Ukraine so gewünschte Integration in die Nato derart offensiv unterstützen wie sein Vorgänger? Spätestens nach der erneuten Krise um russisches Gas weiß man auch in Europa, dass alleine schon aus Gründen der Energiesicherheit eine stabile Ukraine und sichere Energieleitungen über Georgien im Interesse des Westens sind. Russlands Machtanspruch im Kaukasus und in Energiefragen steht dem entgegen. Nur in einem Bereich erwarten Experten eine Verbesserung der Zusammenarbeit: Beim gemeinsamen Antiterrorkampf. Obama ist an einer guten Zusammenarbeit mit den russlandfreundlichen Staaten nördlich von Afghanistan in Zentralasien gelegen – Moskaus Einflusssphäre will er dabei nicht antasten. Sebastian Bickerich

KUBA

Während seines Wahlkampfes hat Barack Obama wiederholt versichert, nach seinem Amtsantritt „eine neue Seite“ in den Beziehungen der Vereinigten Staaten zu den Ländern Mittel- und Südamerikas aufschlagen zu wollen. Zuallererst dürfte er dabei an bessere Beziehungen zum kommunistischen Kuba gedacht haben. Allzu offensichtlich hat sich das seit 1960 bestehende Wirtschaftsembargo als ineffektiv erwiesen: Das Castro-Regime hat nach wie vor Bestand. Und die US-Wirtschaft klagt darüber, tatenlos mit ansehen zu müssen, wie Spanien, Kanada und andere gewinnbringende Geschäfte mit dem Inselmarxismus treiben. Als ein erstes Signal kündigte Obama an, mit dem kubanischen Staatschef Raúl Castro ohne Vorbedingungen Gespräche führen zu wollen. Zudem stellte er eine Lockerung des Embargos in Aussicht. Geplant seien Reiseerleichterungen für Angehörige, die ihre Verwandten auf der Insel besuchen wollten, sagte die designierte Außenministerin Hillary Clinton jüngst bei ihrer Anhörung vor dem Senat. Verstöße gegen das bestehende Reiseverbot können mit hohen Geldstrafen oder sogar mit bis zu zehn Jahren Gefängnis geahndet werden. Eine Aufhebung würde eine enorme Veränderung für den Karibikstaat bedeuten, weil sich der Informationsfluss nach Kuba erweitern würde. In den Worten Hillary Clintons: Kubanischstämmige Amerikaner sind die besten Botschafter für Demokratie, Freiheit und eine freie Marktwirtschaft. Denkbare Neuerungen betreffen darüber hinaus erleichterte Geldüberweisungen von Exilkubanern in ihre Heimat und den Ausbau von Kontakten in Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft – vorausgesetzt, so Obama, Havanna leite „einen wirklich bedeutsamen demokratischen Wandel ein“. Das könnte die Freilassung politischer Häftlinge meinen oder die Erlaubnis von Besuchen internationaler Beobachter in den Gefängnissen, die Tolerierung dissidenter Äußerungen oder eine Öffnung der kubanischen Wirtschaft.

Dass man in den Ländern südlich des Rio Grande ein sichtbares Signal von Obama erwartet, eine Aktion mit Symbolcharakter, macht auch der Aufmarsch lateinamerikanischer Staatsoberhäupter kurz vor der Amtseinführung Obamas deutlich. Das Defilée der vergangenen Tage dient vor allem dem einen Ziel, Washington zu zeigen, dass Kuba durchaus salonfähig ist. Michael Schmidt

NAHER OSTEN

Im Hinblick auf Nahost und die arabische Welt wird von Obama weniger ein fundamentaler Kurswechsel als ein Stilwechsel erwartet. Weniger Säbelrasseln, mehr Verhandlungen. Am deutlichsten hat der designierte US-Präsident sich zu Irak und Iran geäußert: Er will versuchen, die amerikanischen Soldaten aus Irak abzuziehen, möglichst vor den nächsten US-Präsidentschaftswahlen. Im Atomstreit mit der Islamischen Republik Iran setzt Obama auf Verhandlungen im Zusammenspiel mit Sanktionen, nicht auf eine militärische Lösung. Er wird die dortigen Präsidentschaftswahlen im Juni abwarten, bevor er eine Initiative startet.

Ansonsten hat Obama bisher keine besondere Vision für Nahost vorgestellt. Seine Personalentscheidungen weisen eher darauf hin, dass es eine Rückkehr zur Politik der Clinton-Ära gibt: Nicht nur wählte er Hillary Clinton als Außenministerin, auch zahlreiche Berater aus der Präsidentschaft ihres Mannes Bill Clinton, sind bei Obama an Bord: An erster Stelle Denis Ross, ein Veteran des Friedensprozesses, der Obama zu Akzeptanz innerhalb der jüdischen Gemeinde Amerikas verhalf. Nur: Der Friedensprozess ist gescheitert und in seiner alten Form nicht wiederzubeleben. Eine neue Vision zeichnet sich bisher nicht ab. Obama wird jedoch kaum die israelische Besiedlung der Westbank beenden noch wird er mit Hamas sprechen. Also bleibt im palästinensisch-israelischen Konflikt nur Krisenmanagement. Aktiver könnte er sich in eventuelle Gespräche zwischen Israel und Syrien einmischen – hier wäre ein Durchbruch noch am einfachsten zu bewerkstelligen. Andrea Nüsse

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