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 Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Versicherungsverbands

© Jörg Carstensen

Exklusiv

Studie zu Interessenvertretern: „45 Lobbyisten für jeden Bundestagsabgeordneten“

Mit 43 Millionen Euro habe die Finanzwirtschaft so viel Geld zur Verfügung wie keine andere Interessengruppe in Berlin, sagt eine Studie der Initiative „Finanzwende“.

Mit 610 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind die Interessenvertreter der Finanzwirtschaft in Berlin so stark präsent wie die keiner anderen Branche. Damit kommt fast ein Finanz-Lobbyist auf einen Bundestagsabgeordneten; das Parlament hat 736 Sitze. Die Finanzwirtschaft habe ein Gesamt-Budget von knapp 43 Millionen Euro zur Verfügung, berichtet die „Bürgerbewegung Finanzwende“ in ihrer neuen Studie „Die Macht der Finanzlobby“.

Die Auswertung bezieht sich auf die 100 finanzstärksten Einträge im Lobbyregister für die Interessenvertretung gegenüber Bundestag und Bundesregierung. Die Studie liegt dem Tagesspiegel exklusiv vor. Ihre Zahlen beziehen sich auf 2022.

Demnach haben branchenübergreifende Verbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie mit einem Budget von gut 40 Millionen weniger Finanzkraft als die Interessenvertreter der Finanzbranche.

Auto-Lobby hat 23 Millionen Euro zur Verfügung

Die Interessenvertreter der Energiewirtschaft hatten demnach 2022 ein Budget von 23,5 Millionen Euro, die der Auto-Industrie eines von 22,8 Millionen Euro und die der Chemieindustrie konnten über 21,9 Millionen Euro verfügen. Allein der Bundesverband deutscher Banken habe 2002 gut sechs Millionen Euro für Lobbyismus in Berlin aufgewendet, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband gut vier Millionen Euro. Insgesamt verzeichne das Lobbyregister in Berlin 33.200 Personen, das seien „45 Lobbyisten für jeden Bundestagsabgeordneten“.

Die „Bürgerbewegung Finanzwende“, die die Studie in Auftrag gegeben hatte, versteht sich als „unabhängiges und überparteiliches Gegengewicht zur Finanzlobby“. Der Verein, gegründet 2018, wird geführt von dem ehemaligen Grünen-Abgeordneten Gerhard Schick. Er setzt sich nach eigenen Angaben für „faire, stabile und nachhaltige Finanzmärkte“ ein.

„Finanzwende“ beklagt, immer wieder wechselten politische Funktionsträger in den Lobbyismus, und verweist dabei unter anderem auf Ex-Finanz-Staatssekretär Jörg Asmussen (SPD) beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft oder die Aufsichtsrats-Mitgliedschaft von Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) bei der Deutschen Bank.

American Express vervielfacht sein Lobby-Budget

Einen prozentual bemerkenswert hohen Budgetanstieg habe der Kreditkarten-Konzern American Express Europe verzeichnet, heißt es in der Studie. Von 2021 auf 2022 erhöhte das Unternehmen sein jährliches Lobbybudget laut Register um 3000 Prozent: von 5000 auf 155.000 Euro. Die Münchener Rück habe ihr Budget im gleichen Zeitraum um 251,85 Prozent aufgestockt: von 135.000 auf 475.000 Euro.

Am 1. März träten Änderungen zum Lobbyregister-Gesetz in Kraft, die Bundestag und Bundesrat im Herbst 2023 beschlossen haben, heißt es in der Studie. Dann hätten „Lobbyisten vier Monate Zeit, maßgebliche Informationen zu ihrer Arbeit zu ergänzen, die heute noch nicht Teil des Registers sind. Finanzwende und andere zivilgesellschaftliche Organisationen bewerten die Reform überwiegend positiv“, heißt es weiter.

Künftig müssen Interessenvertreter Gesetze und Rechtsverordnungen nennen, die sie beeinflussen wollen. Bisher täten das nur ganz wenige aus der Finanzbranche freiwillig, und das auch nur rudimentär. Zusätzlich zu den Namen von Lobbyisten müsse zukünftig angegeben werden, ob sie aktuell oder in den letzten fünf Jahren im Bundestag, in der Regierung oder in der Bundesverwaltung tätig gewesen seien.

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