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"Cicero"-Affäre: Schily verteidigt sich

Innenminister Otto Schily hat sich vor dem Bundestags-Innenausschuss vehement gegen Vorwürfe im Zusammenhang mit der Durchsuchungsaktion beim Magazin "Cicero" zur Wehr gesetzt.

Berlin - «Alle Vorwürfe gegen mich haben sich in Luft aufgelöst», sagte Schily am Donnerstag nach einer dreistündigen Sondersitzung. Abgeordnete aller Parteien teilten diese Sicht nicht und sahen noch etliche offene Fragen. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte: «Ich bin dezidiert anderer Auffassung als der Bundesinnenminister.»

Der scheidende Minister verwies auf die «simple Rechtslage», dass das entsprechende Ermittlungsverfahren nicht durch sein Ministerium, sondern durch die Staatsanwaltschaft Potsdam veranlasst worden sei. Die Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen zur Bekämpfung von Terroristen entlaste einen Journalisten nicht vom Vorwurf der Beihilfe zum Geheimnisverrat.

Der Innenausschuss befragte Schily hinter verschlossenen Türen intensiv zu der umstrittenen Aktion. Der Ausschuss kam deshalb wenige Tage vor der Konstituierung des neuen Bundestages noch einmal in seiner alten Besetzung zu einer Sondersitzung zusammen.

Heftige Kritik von allen Parteien

Die Polizei hatte Mitte November nicht nur die Redaktionsräume des Potsdamer Magazins durchsucht, sondern auch in der Privatwohnung eines «Cicero»-Mitarbeiters zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt. In einem Artikel über den jordanischen Terroristenführer Abu Mussab al- Sarkawi hatte der Journalist aus vertraulichen Unterlagen des Bundeskriminalamts (BKA) zitiert. Die Aktion stieß bei allen Parteien auf teils sehr heftige Kritik.

Schily verwahrte sich gegen Vorwürfe, er habe in einer Rede vor dem Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger von einer «Gewährung» der Pressefreiheit gesprochen. Schily verlas nach eigener Aussage vor dem Ausschuss Teile dieser Rede vom 20. September. Danach habe er gesagt: «Pressefreiheit erst garantiert den freiheitlichen Staat.» Der Staat müsse darauf achten, dass das Redaktionsgeheimnis gewahrt bleibe. Aber der Staat dürfe auch für sich in Anspruch nehmen, dass Geheimnisse gewahrt blieben. Schily sprach von einer Gefährdung der inneren Sicherheit, wenn bestimmte Informationen an die Öffentlichkeit gelangten. Er bleibe dabei, es gebe keinen Freiraum, auch nicht unter Berufung auf die Pressefreiheit, sich an Straftaten zu beteiligen. Schily wandte sich gegen Vorwürfe eines «totalitären Verhaltens», die auf Grund von «falsch übernommenen Zitaten» vielfach gegen ihn erhoben worden seien.

Wiefelspütz teilte nicht die Auffassung, dass sich Journalisten strafbar machten, wenn sie Informationen erhielten, die unter Rechtsbruch weitergegeben worden seien. Es gebe keinen Zweifel an der Geheimhaltung. Wenn ein BKA-Mitarbeiter derartige Informationen weitergebe, mache er sich strafbar. Die Aktion gegen «Cicero» wertete Wiefelspütz als «in umfassender Weise unverhältnismäßig». Die Debatte zu dem Spannungsverhältnis von Staatsschutz und Pressefreiheit sei noch nicht abgeschlossen.

Stadler: Journalisten brauchen staatsfreien Raum

Der CDU-Innenpolitiker Thomas Strobl warnte vor einem Klima der Einschüchterung in den Medien. Bevor über Gesetzesänderungen diskutiert werde, müsse untersucht werden, ob die Potsdamer Staatsanwaltschaft die Aktion überdehnt habe. Der FDP-Innenexperte Max Stadler sagte, für Journalisten gebe es keinen rechtsfreien Raum, aber sie bräuchten einen staatsfreien Raum. Es müsse selbstverständlich sein, dass Journalisten vertrauliche Informationen erhielten. Das Bundesinnenministerium hätte seine Ermächtigung zur Strafverfolgung auf die Suche nach dem Leck beim BKA beschränken können.

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar, hielt Schily eine einseitige Sichtweise vor. Die Grünen wollten den Informationsschutz durch eine Gesetzesänderung verbessern. Nach Einschätzung ihres Parlamentarischen Geschäftsführers Volker Beck hat die Staatsanwaltschaft überreagiert.

«Cicero»-Chefredakteur Wolfram Weimer erhob unterdessen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam, der die Durchsuchung der Redaktionsräume der Zeitschrift erlaubt hatte. Dies bestätigte Weimer dem «Tagesspiegel» (Freitag). Nach Auffassung der «Cicero»- Anwälte war der Beschluss rechtswidrig, weil kein Anfangsverdacht der Beihilfe zum Geheimnisverrat vorliege. Abgesehen davon sei die Durchsuchung unverhältnismäßig gewesen. (tso/dpa)

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