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Proteste im Iran nach Präsidentenwahl

© dpa

Iran: Quadratur des Kreises

Drei Präsidentschaftskandidaten fordern Neuwahlen. Das Regime sucht nach einem Ausweg aus der Sackgasse. Welche Möglichkeiten hat es?

Keine Parolen, nur ein Schweigemarsch durch die Stadt. So hieß die Anweisung von Mir-Hossein Mussawi am Mittwoch an seine Anhänger. Für morgen hat er einen Tag der Besinnung und der Trauer ausgerufen, er selbst will in einer Moschee den getöteten Demonstranten gedenken. Und er will offenbar Ajatollah Ali Chamenei eine erste kurze Atempause geben für die Suche nach einem Ausweg aus der politischen Sackgasse.

Am Dienstag hatte der Revolutionsführer erstmals Vertreter der vier Präsidentschaftskandidaten empfangen. Und dem Vernehmen nach wurde auf dem Treffen Tacheles geredet. Mussawis und Mehdi Karubis Emissäre forderten eine Neuwahl, der frühere Chef der Revolutionären Garden, Mohsen Rezai, ließ ausrichten, er wünsche eine Liste mit allen gezählten Stimmen – und zwar von jeder einzelnen der rund 50 000 Wahlurnen.

Nun sucht das Regime nach politischen Auswegen, die allen Seiten erlauben, das Gesicht zu wahren und dennoch die Legitimität der Islamischen Republik zu wahren. Entsprechend milde war am Mittwoch früh auch der Ton in den Regierungszeitungen. Sie druckten Bilder von Mussawi-Demonstranten, die Plakate mit der Aufschrift trugen „Wir sind keine Unruhestifter". Die Menge habe ohne Gewalt demonstriert, hieß es in der Zeitung „Etelat“, deren Chefredakteur von Chamenei persönlich ernannt wird.

Bislang hat der Wächterrat angeboten, strittige Wahlbezirke neu auszählen zu lassen – und zwar unter Beteiligung von Vertretern aller vier Kandidaten. Die Opposition dagegen fordert ein so genanntes Komitee zu Feststellung der Wahrheit, welches viel weitergehende Kompetenzen haben soll. Doch wie immer das Gerangel um das Prüfungsgremium ausgeht, ein politischer Ausweg, der das aufgebrachte Volk beruhigt, ohne die zentralen Institutionen der Islamischen Republik zu beschädigen, kommt einer Quadratur des Kreises gleich. Vier Szenarien sind denkbar:

– Mussawi wird zum Sieger erklärt: Das würde bedeuten, mehr als 10 Millionen Stimmen wurden gefälscht – ein irreparabler Ansehensverlust für Chamenei, der den Sieg Ahmadinedschads als „göttliches Signal“ gepriesen hatte. Dessen Anhänger würden dann protestieren.

– Ahmadinedschad wird zum Sieger erklärt, aber mit geringerer Stimmenzahl: Der Wahlbetrug wäre implizit zugegeben. Das Volk jedoch wird sich dadurch nicht beruhigen lassen. Dann aber wäre das Regime gezwungen, mit aller Härte gegen die Opposition vorzugehen.

– Doch eine Stichwahl: Vielleicht der Ausweg mit dem geringsten Imageschaden für das Regime: Man räumt den Wahlbetrug ein, lässt aber eine Korrektur durch das Volk zu. Für Mussawi ein schwieriges Angebot: Sein Hauptquartier ist zerstört, seine Wahlkampfmannschaft aus Angst vor Verhaftung in alle Winde zerstreut.

– Komplette Neuwahlen: Für das Regime wäre das eine Niederlage, die an den Fundamenten der Islamischen Republik rüttelt.

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