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Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen.

© dpa/Michael Kappeler

Privaten Immobilienkredit verheimlicht?: Lindner muss Transparenz in Grußwort-Affäre schaffen

Das Bundesfinanzministerium hielt Auskünfte zurück, wie der Chef bei seiner Videobotschaft zugunsten der BBBank vorging. Das war rechtswidrig, sagt das Verwaltungsgericht

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) muss in der Affäre um sein Minister-Grußwort für die Karlsruher BBBank Auskunft darüber geben, ob er bei Erstellung der Videobotschaft im Frühjahr 2022 seinen bei der BBBank zuvor aufgenommenen privaten Immobilienkredit offen gelegt hat. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden und damit einem Antrag des Tagesspiegels auf eine einstweilige Anordnung teilweise stattgegeben (Az.: VG 27 L 28/23).

Wurden andere Grußwort-Anfragen gelöscht?

Darüber hinaus soll das Finanzministerium über weitere Hintergründe der Grußwort-Erstellung öffentlich aufklären. Dazu gehört, welche Grußwort-Anfragen anderer privater Unternehmen dem Minister aus dieser Zeit vorlagen und ob Dokumentationen dazu gelöscht wurden.

Verschiedene andere Anträge wies das Gericht dagegen zurück. Hier hieß es, die Recherche-Fragen dazu beträfen nur Randaspekte des Themas oder bezögen sich nicht auf dienstliche Sachverhalte, zu denen das Ministerium auf Grundlage des Presserechts allein auskunftspflichtig sei.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig, eine Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist möglich.

Dem Antragsteller geht es darum, über mögliche Zusammenhänge zwischen der Dienstausübung dieses Bundesministers und privaten Geschäftsinteressen umfangreich Transparenz herzustellen und diese in die öffentliche Diskussion zu bringen.

Das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss zur Tagesspiegel-Klage

Lindner hatte sich mit dem amtlichen Grußwort für seinen privaten Darlehensgeber einigen Ärger eingehandelt. Nachdem er für das Kreditinstitut – noch als Abgeordneter – eine Grundschuld über 2,35 Millionen Euro für seinen Hauskauf in Berlin-Nikolassee eintragen ließ, sprach er als Minister auf Bitten der BBBank einen Videogruß zu deren 100-jährigem Bestehen ein.

„Dienstliches Handeln von privaten Interessen geleitet“

Ein paar Wochen später stockte Lindner den Kredit auf und erhöhte die Grundschuld auf insgesamt 2,8 Millionen Euro. Nachdem der „Spiegel“ über den Vorgang im vergangenen Herbst berichtet hatte, prüfte die Generalstaatsanwaltschaft den Fall von Amts wegen mit Blick auf Korruptionsdelikte, nahm jedoch mangels Anfangsverdacht keine förmlichen Ermittlungen auf.

Das Bundesfinanzministerium hatte Anfragen zu den internen Abläufen pauschal oder nur teilweise beantwortet. Hinsichtlich des konkreten Vorgehens von Lindner wurde lediglich auf Compliance-Regeln verwiesen, aus denen „keine Pflicht zur Anzeige privater Kreditverbindungen“ erwachse. Zugleich steht in einer internen „Dienstanweisung“, dass bereits „der Anschein (...), dass das dienstliche Handeln von privaten Interessen geleitet sein könnte“, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Verwaltung beschädige.

Nur auf Vorschriften hinzuweisen, genügt jedoch nicht, urteilt jetzt das Verwaltungsgericht. Das Ministerium habe vor Gericht nicht dargelegt, ob es unter den intern Beteiligten eine „Abfrage präsenten dienstlichen Wissens“ durchgeführt hat, um die Presse-Auskünfte erteilen zu können – auch nicht bei Lindner selbst. Vielmehr spreche einiges dafür, dass diese Abfrage unterlassen worden sei. Es handele sich um einen „Vorgang mit dienstlichem Charakter“, wenn der Minister seine private Kreditaufnahme bei der BBBank anlässlich der Erstellung des Grußworts dokumentiere.

Lindner ist schon lange Werbebotschafter der BBBank

Nach Ansicht des Gerichts besteht auch das für Eilverfahren dieser Art nötige gesteigerte öffentliche Interesse. Bei der Recherche gehe es darum, über „Zusammenhänge zwischen der Dienstausübung dieses Bundesministers und privaten Geschäftsinteressen umfangreich Transparenz herzustellen und diese in die öffentliche Diskussion zu bringen.“

Dieses öffentliche Interesse sei trotz der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft, nicht zu ermitteln, „besonders hoch“: Die Vorgänge können für die „Meinungsbildung über die politisch-moralische Integrität des Herrn Lindner, eines amtierenden Bundesministers, Mitglieds des Deutschen Bundestages und Bundesvorsitzenden einer der Regierungskoalition im Bund angehörenden politischen Partei, relevant sein“.

Zuvor hatte das Verwaltungsgericht bereits die Berliner Generalstaatsanwaltschaft zu Auskünften über nähere Ergebnisse ihrer „Vorprüfung“ des Falls Lindner verpflichtet.

56
ist der Rang der BBBank auf der nach Bilanzsumme größten deutschen Banken

Auch hier hatte das Gericht die „hohe Aktualität“ des Themas betont. Generalstaatsanwältin Margarete Koppers meinte dagegen, die Öffentlichkeit interessiere sich im Zusammenhang mit Lindner „lediglich für seine Rolle im Koalitionsstreit um Wärmepumpen“ und legte Beschwerde ein.

Lindner war schon als Abgeordneter im Bundestag für Werbebotschaften der BBBank aufgetreten und hatte als Redner auf Abendveranstaltungen mehrere zehntausend Euro kassiert. 

Eine im März dieses Jahres bekannt gewordene E-Mail der BBBank vom 22. April 2022 an Lindner legt den Eindruck nahe, dass auch die Grußwort-Anfrage zum 100-Jährigen über einen persönlich-privaten Kontakt zum Minister angebahnt wurde. Konkrete Auskünfte dazu verweigert das Bundesfinanzministerium – gegenüber dem Tagesspiegel, anderen Medien und auch gegenüber dem Parlament.

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