zum Hauptinhalt
Gründung des Vereins Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit zur Vorbereitung einer neuen Partei

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/Bernd Elmenthaler

Pläne von Sahra Wagenknecht: Name, Satzung, Programm − wie gründet man eine Partei?

Den Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ gibt es bereits. Dessen Unterstützer sollen nun die Parteigründung vorbereiten. Doch wie geht das und wo liegen die Herausforderungen?

Jetzt ist es offiziell: Aus dem Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“, kurz BWS, soll eine neue Partei werden. Am Montagmorgen stellte das Bündnis seine Pläne vor. Demnach soll die neue Partei Anfang 2024 gegründet werden und bereits an Wahlen im nächsten Jahr teilnehmen.

Betraut mit der Aufgabe ist Lukas Schön, Geschäftsführer von BSW. Er erklärte den Zeitplan so: „Wir werden als neue Partei zu Jahresbeginn erste Strukturen aufstellen und in der ersten Jahreshälfte werden wir erste Landesverbände gründen.“ In den nächsten Monaten gehe es vor allem darum, die Parteigründung vorzubereiten.

Parteien spielen in einer Demokratie eine herausgehobene Rolle: Sie repräsentieren vielfältige Interessen in der Bevölkerung, mobilisieren Wähler:innen und beteiligen sich aktiv daran, politische Entscheidungen zu treffen. „Ihre Gründung ist frei“, heißt es kurz und knackig in Artikel 21 des Grundgesetzes. Grundsätzlich kann jede:r in Deutschland eine Partei gründen, insbesondere ist keine staatliche Genehmigung erforderlich. Was aber braucht es?

Wir werden als neue Partei zu Jahresbeginn erste Strukturen aufstellen und in der ersten Jahreshälfte werden wir erste Landesverbände gründen.

Lukas Schön, Geschäftsführer des Bündnis Sahra Wagenknecht

1. Vereinsgründung und Mitgliederversammlung

Es klingt paradox, aber als Erstes muss der Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ einen weiteren Verein gründen. Denn rechtlich gesehen ist eine Partei ein Verein.

„Eine Partei gründet man erst einmal so wie einen Verein“, erklärt Sophie Schönberger, Professorin für Öffentliches Recht, Kunst- und Kulturrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Man braucht Mitglieder, eine Satzung, ein Programm und eine Mitgliederversammlung, in der sich die Partei als solche konstituiert und insbesondere den Vorstand wählt.“

Einer der ersten Schritte muss daher eine Mitgliederversammlung, auf Bundesebene auch Parteitag genannt, sein. Dort wird der Vorstand gewählt, der aus mindestens drei Mitgliedern besteht.

2. Mitglieder

Das Parteiengesetz schreibt keine Mindestzahl von Parteimitgliedern vor. „Je nach den Umständen im Einzelnen liegt die Mindestgrenze nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ganz grob zwischen 30 und 40 Mitgliedern“, erklärt Sophie Schönberger. Die Anforderungen erhöhten sich aber, je länger die Partei existiert.

Mitglieder zu gewinnen, ist für Newcomer in der Parteienlandschaft oft kein großes Problem: „Neue Parteien ziehen generell Mitglieder aus unterschiedlichen politischen Richtungen an, die mit den bestehenden Parteien unzufrieden sind“, erklärt Thomas Poguntke, Professor für Vergleichende Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Darin liegt aber auch eine Gefahr: „Einerseits muss eine neue Partei schnell Mitglieder werben, andererseits handelt sie sich damit leicht Probleme ein, weil es in Deutschland sehr schwer ist, Parteimitglieder auszuschließen, die unliebsame oder gar parteischädliche Positionen vertreten“, so Poguntke.

Wir werden langsam wachsen − und kontrolliert.

Christian Leye, Stellvertretender Vorsitzender des „Bündnis Sahra Wagenknecht“

Diese Gefahr scheint auch dem Bündnis bewusst zu sein: Christian Leye, Stellvertretender Vorsitzender von BWS, erklärte dazu: „Wir werden langsam wachsen − und kontrolliert.“

3. Parteisatzung und Parteiprogramm

Die neue Partei muss bei ihrer Gründung eine Satzung und ein Programm beschließen. In der Satzung müssen zum Beispiel Name und Sitz der Partei geregelt werden, sie muss Bestimmungen über Aufnahme und Austritt der Mitglieder und die Befugnisse des Vorstandes sowie eine Finanzordnung enthalten.

Wir wollten die bestehende Lücke im deutschen Parteiensystem schließen und eine Partei gründen, die für wirtschaftliche Vernunft, soziale Gerechtigkeit und für Frieden und Freiheit einsteht.

Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Linken und Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht

Das Parteiprogramm enthält vor allem die politischen Ziele, die mit der Partei erreicht werden sollen. Auf der Pressekonferenz am Montag skizzierte Amira Mohamed Ali, (Noch-)Fraktionsvorsitzende der Linken und Vorsitzende von BWS, diese schon einmal: „Wir wollten die bestehende Lücke im deutschen Parteiensystem schließen und eine Partei gründen, die für wirtschaftliche Vernunft, soziale Gerechtigkeit und für Frieden und Freiheit einsteht.“

Thomas Poguntke sieht hier eine besondere Herausforderung für die neue Partei. Dieser müsse es gelingen, die sehr unterschiedlichen Kritikpunkte an der jetzigen Politik „zu einem einigermaßen kohärenten Programm“ zusammenzufügen.

4. Geld

Für eine Parteigründung muss kein Mindestkapital eingebracht werden. Geld spielt aber natürlich eine Rolle, schließlich fallen bereits Kosten an.

„Teuer sind Wahlkampagnen“, meint Thomas Poguntke. „Deshalb dürfte die zu gründende Partei versuchen, bei den Europawahlen anzutreten, um durch die staatliche Wahlkampfkostenerstattung ihre Kassen zu füllen.“

Auf der Website wirbt der Verein bereits um Spenden: „Der Verein unterstützt die Ziele von Sahra Wagenknecht und ermöglicht es allen Unterstützern, Förderern und Sympathisanten, das Vorhaben durch Spenden zu fördern, damit so schnell wie möglich die Voraussetzungen für eine Parteigründung da sind.“

5. Name

Was der Partei ebenfalls fehlt, ist ein Name − jedenfalls ist noch keiner bekannt. In der Pressekonferenz war stets die Rede von der „neuen Partei“. Für den Namen gibt es keine Vorgaben, außer dass er sich von dem der bereits bestehenden Parteien deutlich unterscheiden muss.

Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Auch könnte die Partei nach ihrem bekanntesten Mitglied benannt werden und als „Sahra-Wagenknecht-Partei“ auftreten.

6. Information der Bundeswahlleiterin

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, muss der Vorstand der Partei die Bundeswahlleiterin informieren und ihr unter anderem Satzung und Programm vorlegen. Die Bundeswahlleiterin sammelt die Unterlagen aller Parteien, derzeit sind es 120. Das Spektrum der registrierten Parteien und politischen Vereinigungen reicht von A wie „Ab jetzt… Demokratie durch Volksabstimmung“ bis Z wie „Zukunft“.

Weder die Bundeswahlleiterin noch eine andere Instanz überprüfen übrigens die inhaltlichen Ziele der Partei. Nur das Bundesverfassungsgericht dürfte eine Partei verbieten.

Sobald die Partei von der Bundeswahlleiterin zugelassen wurde, darf sie an Wahlen teilnehmen. Und das hat das Bündnis fest vor. Neben den Wahlen zum EU-Parlament soll die neue Partei auch bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg antreten: „Wir streben an, in den drei Bundesländern zu kandidieren“, sagte Wagenknecht am Montag.

Das ist ein gigantisches logistisches Projekt.

Sophie Schönberger, Professorin für Öffentliches Recht, Kunst- und Kulturrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

7 Gründung von Gebietsverbänden

Parteien unterteilen sich in sogenannte Gebietsverbände, also regionale Untergruppen. Nur so können die Mitglieder an ihrem Wohnort an der politischen Arbeit teilhaben. Üblich ist dabei die Unterteilung in Landes-, Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände.

Diese Organisationsstruktur aufzubauen, hält Sophie Schönberger für eine besondere Herausforderung. „Wenn die Partei deutschlandweit bei Wahlen antreten will, müssen auch deutschlandweit Mitglieder vorhanden sein und sich entsprechende Gebietsverbände bilden.“ Das sei ein gigantisches logistisches Projekt.

Auch dem Bündnis Sahra Wagenknecht scheint das bewusst zu sein. So betonte Geschäftsführer Lukas Schön in der Pressekonferenz am Montag: „Eine neue Partei zu gründen, ist natürlich auch ein enormer Kraftakt“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false