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Menschen überqueren eine Straße mit einem Plakat mit der Aufschrift „Wie man den Pass eines russischen Bürgers bekommt“ vor dem Scheinreferendum in der von den von Russland unterstützten Separatisten kontrollierten Volksrepublik Luhansk in der Ostukraine.

© dpa/Uncredited

Gouverneur von Mykolajiw: „Das ist keine Annexion und das ist kein Referendum. Das ist Krieg“

Die von Russland angesetzten Referenden hätten nichts mit demokratischen Wahlen gemein, sagt der Gouverneur der südukrainischen Stadt in einem Interview. Er schätzt, dass nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung daran teilnehmen werden.

In den von Russland besetzten Gebieten haben die Scheinreferenden über den Anschluss an Russland begonnen. Vitalij Kim, der Gouverneur von Mykoljiw, einer Stadt mit 480.000 Einwohner:innen im Süden der Ukraine, hat sich nun in einem Interview mit Zeit Online zu den inszenierten Abstimmungen und zur Teilmobilmachung Russlands geäußert.

„Es gibt kein Referendum“, sagt Vitalij Kim. Die Referenden hätten nichts mit demokratischen Wahlen gemein. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung würde daran teilnehmen, wie viele davon für Russland stimmen würden, sei unklar, und: „Wie viele davon es nur tun, weil sie von russischen Soldaten dazu gedrängt wurden, ebenfalls.“

Die inszenierten Abstimmungen werden weltweit als völkerrechtswidrig angesehen, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. Beobachter sehen in den Scheinreferenden eine Reaktion auf die aktuelle ukrainische Gegenoffensive im Osten des Landes.

Auch Kim ist sich sicher: „Kein demokratisches Land der Welt würde so ein Referendum anerkennen oder akzeptieren.“ Problematisch für die Bevölkerung in den besetzen Gebieten sei, dass sie nach den Referenden gedrängt werden könnten, russische Pässe anzunehmen, womit sie für den Militärdienst infrage kämen, schätzt er ein.

Der Gouverneur ging auch auf die Unterschiede zwischen der gegenwärtigen Situation und der Annexion der Krim 2014 ein. Damals hätten einige wenige noch gedacht, sie würden mit Russland besser leben. Heute sei die Situation anders: „Jetzt gibt es Tote und Verletzte, so oder so. Das ist keine Annexion und das ist kein Referendum. Das ist Krieg.“

Sollten die Scheinabstimmungen erfolgreich verlaufen, würde Mykolajiw direkt an ein Gebiet grenzen, das Russland zum eigenen Staatsgebiet zählt.

Angesichts der jüngsten Geländegewinne der Ukraine, gibt sich der Gouverneur aber optimistisch, dass die Ukraine auch künftig Erfolge einfahren kann. Mitentscheidend dafür seien aber Waffenlieferungen. „Die größte Gefahr ist nach wie vor die durch das russische Militär. Was wir deshalb am dringendsten brauchen, sind Waffen und Munition“, so Vitalij Kim in dem Interview mit der Zeit. „Ich bin nicht gut mit Vorhersagen, aber wer weiß, vielleicht holen wir uns Cherson ja noch in diesem Jahr zurück.“

Aus Sicht von Kim wird die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin angekündigte Teilmobilisierung den Krieg nicht grundlegend ändern. Zwar seien dadurch mehr russische Soldaten zu bekämpfen, seiner Ansicht nach überwiegen jedoch die Probleme auf russischer Seite. „Niemand will kämpfen und alle in Russland sehen jetzt, dass es keine Spezialoperation ist, sondern jeder dem Risiko ausgesetzt wird, in die Ukraine gebracht und getötet zu werden“, so der Gouverneur. (mit AFP)

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