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Politik: Feste und Proteste in Libanon

Nach dem Rücktritt der libanesischen Regierung ist es im Norden des Landes zu gewalttätigen Protesten gekommen. In Beirut und anderen Städten feierten dagegen Zehntausende von Oppostitionsanhängern die "Macht des Volkes". Das Land ist auf der Suche nach einem neuen Premier.

Beirut/Damaskus (01.03.2005, 16:45 Uhr) - Am Tag nach dem unerwartet plötzlichen Rücktritt des libanesischen Kabinetts hat am Dienstag in Beirut die Suche nach einem neuen Regierungschef begonnen.

Nach zweiwöchigen Massendemonstrationen mit dem Vorwurf, am Mord an dem früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariri mitschuldig zu sein, war der pro-syrische Ministerpräsident Omar Karami Montagabend mit seiner Mannschaft überraschend zurückgetreten.

Nach amtlichen Quellen hat der ebenfalls pro-syrische Präsident Émile Lahoud den Abgeordneten 48 Stunden Frist gegeben, sich auf einen neuen Ministerpräsidenten zu einigen, der nach einem ungeschriebenen Gesetz ein Sunnit sein muss.

Der Drusenfürst und Oppositionsführer Walid Dschumblatt hat die Bildung einer «neutralen» Übergangsregierung gefordert, die einen Teilabzug der syrischen Truppen aus Libanon vor den Parlamentswahlen Ende Mai organisieren solle. Dschumblatt sagte, Libanon wolle «keine Geisel» Syriens sein, das ein Jahr nach Ausbruch des Bürgerkrieges (1975-90) Truppen in den Zedernstaat entsandt hatte, um die Feinde zu trennen, und dort heute noch 15 000 Soldaten stationiert hat.

Unter den Aktivisten der Opposition zirkulieren Textbotschaften, in denen für Hariris Schwester Bahia als neuer Regierungschefin geworben wird. «Das wäre ein Durchbruch in der arabischen Welt: Eine Frau an der Regierungsspitze», heißt es in den Texten. «Machen wir's möglich.»

Auch am Dienstag war der Märtyrerplatz im Zentrum Beiruts, wo Hariri in der Mohammed el Amin-Moschee beigesetzt ist, wieder ein Meer von rot-weißen Nationalflaggen. «Du kommst auch noch an die Reihe, Lahoud», riefen die Demonstranten an die Adresse des Staatspräsidenten.

Am Montagabend war es nach dem Rücktritt Ministerpräsident Karamis im Norden des Landes zu gewalttätigen Protesten gekommen. In Tripoli, der Heimatstadt Karamis, wurde ein Anhänger des scheidenden Ministerpräsidenten erschossen. Wie das Amt Karamis mitteilte, wurde der Mann auf dem Anwesen der Familie Karami vom Dach eines nahe gelegenen Gebäudes aus getötet. Rund 2000 aufgebrachte Anhänger Karamis feuerten Schüsse in die Luft und steckten Autoreifen in Brand.

Dagegen feierten Zehntausende von Oppositionsanhängern in Beirut und in anderen Städten den Rücktritt der pro-syrischen Regierung als «Sieg» und Zeichen «der Macht des Volkes». Unter dem Krachen von Feuerwerksböllern und lautem Autohupen skandierte die Menge Slogans wie «Karami ist gestürzt». Immer wieder verlangten Demonstranten auch den Rücktritt des mächtigen Präsidenten Lahoud.

Das international unter Druck geratene Syrien hat am Dienstag Frankreich aufgefordert, nicht der Syrien-feindlichen Haltung der USA zu folgen. Die amerikanisch-französische Allianz habe Erinnerungen geweckt und Spekulationen über Frankreichs Ziele ausgelöst.

«Frankreich hätte besser mit den Regierungen Syriens und Libanons konsultiert, bevor es sich an den UN-Sicherheitsrat gewandt hat», schrieb das Regierungsorgan «Al-Thawra». «Dann hätten die USA in die Resolution 1559 nicht einige Dinge bringen können, die Libanon in die Zeit der Kämpfe zurückbringen und all das zunichte machen könnten, was seit dem Bürgerkrieg erreicht worden ist.»

Frankreich, Mandatsmacht in Syrien bis 1946, hatte gemeinsam mit den USA im September 2004 die Resolution 1559 eingebracht, in denen der Abzug «aller fremden Truppen» aus Libanon und die Auflösung der Milizen gefordert wird. (tso) ()

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