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Dürfte eine eher ernüchternde Bilanz nach seinem China-Besuch ziehen: Bundeskanzler Olaf Scholz, auf dem Bild bei einem Pressestatement vor seinem Abflug aus Peking.

© dpa/Michael Kappeler

Deutscher Trampelpfad: Scholz kommt China entgegen – doch kehrt mit wenigen Ergebnissen zurück

Der Kanzler zeigt sich gegenüber Chinas Befindlichkeiten generös. Zum Dank bekommt Scholz in zentralen Fragen aus Peking fast nichts. Deutschland sollte gegenüber Xi Jinping robuster auftreten.

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Die Szene war symptomatisch, sagt viel über die deutsch-chinesischen Beziehungen. Eine Viertelstunde monologisierte Chinas Ministerpräsident Li Qiang am Dienstagabend nach seinem Gespräch mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) über die beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen. Li will den Handel mit Deutschland „noch dynamischer“ machen. Die deutschen Vorwürfe – chinesische Überkapazitäten, Preis-Dumping – wies er brüsk zurück. Die Atmosphäre bei dem Auftritt der beiden Regierungschefs wirkte unterkühlt.

Während Li keine einzige Silbe zu Russland Krieg gegen die Ukraine verlor, stellte Scholz die deutsche Haltung dar, verwies auf das Gewicht von Chinas Wort in Russland und appellierte an Präsident Xi Jinping, „auf Putin einzuwirken“. Der Kanzler wiederholte seine Forderung nach freiem Marktzugang und Schutz geistigen Eigentums. Doch vor allem versprach Scholz seinen Gastgebern: „Wir wollen unseren Wirtschaftsaustausch in allen Dimensionen weiterentwickeln … Wir wollen, dass China Erfolg hat.“

Groß also war das Entgegenkommen, das Deutschland in China zeigte. Klein hingegen sind die Ergebnisse, mit denen Scholz Peking Richtung Berlin verließ.

Beispiel Russlands Krieg gegen die Ukraine: Bei seinem letzten China-Besuch Ende 2022 brachte Scholz Xi immerhin dazu, Russland vor dem Einsatz und der Drohung mit Atomwaffen zu warnen. Xi kostete das nichts, aber es war ein Wort mit Gewicht.

Doch von Beginn an unterstützt China Russlands Krieg, politisch, längst auch mit kriegstauglichem Material. Am Dienstag ließ die kommunistische Staatsführung keinen Kurswechsel, nicht einmal einen neuen Akzent erkennen. Scholz misslang es, China eine Zusage zur Teilnahme an einer möglichen Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz abzuringen.

Beispiel Wirtschaft: Ministerpräsident Li wies die deutsche Klage zu den chinesischen Überkapazitäten brüsk zurück. „Sehr tough“ soll China in den Wirtschaftsgesprächen aufgetreten sein, war zu hören. Zusagen für mehr Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen oder zum Schutz geistigen Eigentums? Nicht erkennbar.

Beispiel Handel: Dass Li eine „Win-win-Situation“ (gibt es solch ein Paradigma überhaupt in China?) für beide Länder beschwor, muss angesichts der chinesischen Sturheit wie Hohn erscheinen. Scholz baute den Popanz eines De-Coupling auf, indem er erklärte, Deutschland wolle solch eine Entkopplung nicht. Hätte er nicht auch von China verlangen müssen, vom De-Coupling abzulassen? Wer etwa als Tourist in China per Kreditkarte zahlen will, wird immer wieder scheitern. Ohne chinesische Handynummer, ohne chinesische Apps geht nichts.

Beispiel Menschenrechte und Außenpolitik: Scholz neigt dazu, leise zu sprechen. Als er am Dienstagabend am Ende seines öffentlichen Statements doch noch zu jenem Thema fand, redete er akustisch leise und inhaltlich kleinlaut. Knapp benannte er „unterschiedliche Ansichten“. Beim letzten Besuch 2022 hatte er das Schicksal der von Chinas Staatsführung drangsalierten und internierten Uiguren angesprochen. Dazu diesmal kein Wort. Ein Hinweis des Kanzlers zur Taiwan-Frage? Fehlanzeige. 

„Wandel durch Handel“ ist gescheitert

Spätestens seit 2022, mit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine, gilt die „Wandel durch Handel“-Politik Deutschlands mit Russland als gescheitert. Politische Verantwortung besteht darin, aus schweren Fehlern zu lernen.

Scholz‘ Besuch in China wirkte so, als wolle Deutschland den Trampelpfad seiner Dialog- und Handelspolitik weiter beschreiten. Wer Vertreter der deutschen Wirtschaft reden hört – eine These dort: Verflechtung schütze vor Krieg – hat noch weniger den Eindruck, als sei aus der Causa Russland gelernt worden.

Rationalisten setzen bei ihrem Gegenüber gern Rationalismus voraus, und beweisen damit vor allem Naivität. Hinzu kommt: Der „Wandel durch Handel“ mit China ist längst gescheitert. Es gibt mehr Handel, doch der Wandel geht in die andere als die erhoffte Richtung: Peking wirkt nach innen und außen zunehmend aggressiv.

Sollte China eines Tages Taiwan angreifen, wird im Westen das Jammern und Klagen laut sein. Bisher ist Deutschland noch immer nicht bereit, sich konsequent für den Fall der Fälle vorzubereiten. Genau das aber ist Aufgabe weitsichtiger Politik.     

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