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Personalpolitik. Johannes Kahrs soll sich bei der SWP in unziemlicher Weise eingemischt haben.Foto: Deutscher Bundestag

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Politik: Der Herr hat’s gegeben …

Warum SPD-Mann Kahrs die Stiftung Wissenschaft und Politik abstrafte

Berlin - Hat der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs seine Macht als Haushaltspolitiker missbraucht? Drei Wochen vor der Hamburg- Wahl sieht sich der umstrittene Sprecher des im „Seeheimer Kreis“ zusammengeschlossenen rechten SPD-Flügels schweren Vorwürfen ausgesetzt: Als Haushälter hat Kahrs offenbar eine Art Strafaktion gegen die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) organisiert, weil das Institut sich weigerte, einen ihm genehmen Wissenschaftler dauerhaft zu beschäftigen. Sozialdemokratische Außenpolitiker zeigen sich wegen des Vorgangs peinlich berührt, die Grünen fordern Konsequenzen.

Die renommierte Berliner Stiftung, zu deren wichtigsten Aufgaben die Beratung von Politikern in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zählt, wird zum überwiegenden Teil aus Mitteln des Bundes finanziert. Der „Think Tank“ genießt über Parteigrenzen hinweg einen hervorragenden Ruf. Das hinderte die Haushaltspolitiker von Union, FDP und SPD jedoch nicht daran, die Zuweisungen des Bundes an die SWP für das Jahr 2011 um insgesamt 500 000 Euro zu kürzen, obwohl ursprünglich nur eine Kürzung in Höhe von 250 000 Euro vorgesehen war.

Der Beschluss fiel am 11. November 2010 in der Haushaltsbereinigungssitzung. „Treibende Kraft“ war nach Angaben des FDP-Haushaltsexperten Jürgen Koppelin „der Kollege Kahrs“, unterstützt wurde er von der Union. Deren Berichterstatter für den Kanzleramtsetat, der CDU-Abgeordnete Norbert Barthle, will im Nachhinein keine Auskunft darüber erteilen, wie es zu der Kürzung der dort angesiedelten Mittel für die Stiftung kam. Die Entscheidung sei aber „wohlbegründet“ gewesen, sagt Barthle.

Das sieht der Direktor der SWP, Volker Perthes, ganz anders. Bei der Sitzung des Stiftungsrates am 1. Dezember 2010 machte er Kahrs in einem schriftlichen Bericht für die schwierige finanzielle Lage seines Instituts verantwortlich. Bundeskanzleramt und Fraktionen sei bekannt, „dass es sich hier um die leider erfolgreiche Initiative eines Abgeordneten handelte, der von mir verlangt hatte, einen bestimmten Wissenschaftler seines Vertrauens in dem 2009 eingerichteten sogenannten „Rüstungs-Cluster“ bei der SWP einzustellen – anderenfalls er dafür sorgen würde, dass dieses Cluster wieder abgewickelt werde“, heißt es in dem Bericht, der dem Tagesspiegel vorliegt. Weiter schreibt Perthes: „Zweifellos hätte ich diese Kürzungsinitiative abwenden können, wenn ich mich dem Wunsch des Abgeordneten gebeugt hätte, eine bestimmte Person einzustellen. Wir nehmen gerne Empfehlungen aus dem Bundestag und aus der Bundesregierung zur Kenntnis, die oftmals ja hilfreich sind. Ich halte es aber für unabdingbar, dass der Direktor der SWP Personalentscheidungen auch weiterhin unabhängig nach unseren Qualitätsmaßstäben trifft.“

Bei der „bestimmten Person“, deren dauerhafte Beschäftigung Perthes verweigerte, handelt es sich um den Rüstungsexperten Sascha Lange. Der Diplombiologe war über acht Jahre hinweg Mitarbeiter der Stiftung, bis er im Juli 2010 ausschied. Von den Wehrexperten im Parlament und den Berichterstattern für den Verteidigungshaushalt wurde Lange wegen seines Fachwissens im Bereich Rüstung und Bundeswehr geschätzt – so auch von Reserveoffizier Kahrs.

Der sieht sich nun zu Unrecht von der SWP in ein schlechtes Licht gesetzt. In einem Brief an die Mitglieder des Stiftungsrates vom 6. Dezember wirft er SWP-Direktor Perthes eine „einseitige und falsche Darstellung der Tatsachen“ vor. In Gesprächen mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Hans-Ulrich Klose (SPD), begründete Kahrs die von ihm betriebene Kürzung des SWP-Etats damit, dass Perthes sich nicht an eine Vereinbarung aus der Zeit der großen Koalition gehalten habe. Damals hätten die Haushälter von Union und SPD die Mittel für die SWP um insgesamt 250 000 Euro erhöht. Und zwar nur deswegen, damit Rüstungsexperte Lange dort weiter beschäftigt bleiben könne. Perthes habe sich mit dieser Regelung auch einverstanden erklärt.

Gegenüber dem Tagesspiegel bekräftigte Kahrs seinen Vorwurf: „Wenn Absprachen nicht eingehalten werden, entfällt die Geschäftsgrundlage.“ Perthes habe eine feste Vereinbarung gebrochen: „Das können wir Haushälter nicht hinnehmen, denn dann hält sich in Zukunft niemand mehr an Zusagen.“ Seinen Einsatz für Lange erklärte Kahrs mit dessen Expertise: „Für uns Haushälter war Langes Kompetenz und Unabhängigkeit Gold wert, weil er uns innerhalb kürzester Zeit auf die Schwachstellen in den Beschaffungsvorlagen des Verteidigungsministeriums hinweisen konnte.“ Andere Motive hätten für ihn keine Rolle gespielt: „Wir sind weder verwandt noch verschwägert oder befreundet. Und in der SPD ist Lange auch nicht.“

Die Grünen wollen sich mit Kahrs’ Erklärung nicht zufrieden geben. „Es wäre nicht das erste Mal, dass Kahrs ein völlig falsches Verständnis davon zeigt, wozu ein politisches Mandat da ist. Schon mehrfach hat er seine Macht benutzt, um Leute zu belohnen und andere zu bestrafen“, kritisierte die Hamburger Grünen-Abgeordnete Krista Sager. Sagers Parteifreundin Kerstin Müller, einst Staatsministerin im Auswärtigen Amt, legte Kahrs gar den Rücktritt nahe. „Ein Abgeordneter, der sein Mandat missbraucht, um in öffentlich finanzierten Institutionen Vertraute unterzubringen, ist fehl am Platze“, sagte sie dem Tagesspiegel. Außerdem müsse die SPD dafür sorgen, dass Kahrs sein Bundesverdienstkreuz zurückgebe. Der Orden war Kahrs am 15. Dezember 2010 auf Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion verliehen worden – wenige Wochen nach der von ihm organisierten Strafaktion gegen die SWP.

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