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Politik: „Der Etat wird frühestens 2007 ausgeglichen“

Die Grünen-Finanzexpertin Scheel über die Probleme des Finanzministers und die Steuerpläne der Regierung

Frau Scheel, wird die Agenda 2010 die deutsche Wirtschaft ankurbeln und neue Arbeitsplätze schaffen?

Die Agenda 2010 ist ein Anfang bei Strukturveränderungen in den sozialen Sicherungssystemen. Damit können die Lohnnebenkosten mittelfristig gesenkt werden. Und dann können auch neue Arbeitsplätze entstehen. Man darf die Agenda aber nicht isoliert betrachten. Die Umsetzung des HartzKonzeptes, Existenzgründerhilfen und auch die Initiativen zum Bürokratieabbau, all das sind Elemente eines Konzepts, das der Wirtschaft auf die Beine helfen und neue Jobs schaffen soll.

Die Kritiker des Bundeskanzlers fordern mehr staatliche Konjunkturspritzen, um die Nachfrage zu beleben. Muss die öffentliche Hand mehr investieren?

Wir investieren ja. Und denen, die noch mehr Programme fordern, muss man sagen, dass wir so viel Geld investieren, wie wir haushaltspolitisch verantworten können. Ganz abgesehen davon bezweifle ich, dass noch mehr staatliche Konjunkturprogramme so große Effekte hätten, wie sie von denen erhofft werden, die sie fordern.

Der DGB fordert, die Stufen der Steuerreform zeitlich vorzuziehen, damit die Konjunktur schneller anzieht.

Alle Haushalte im Bund und den Ländern haben die nächsten zwei Steuersenkungen 2004 und 2005 in ihre Finanzplanungen eingestellt. Durch ein Vorziehen dieser Stufen würden dort Löcher gerissen, die sich niemand leisten kann. Und auch hier bezweifle ich, dass der konjunkturelle Impuls so groß wäre, dass die Ausfälle durch ein Anziehen der Konjunktur wieder erwirtschaftet werden könnten. Die Wirtschaft braucht mehr Vertrauen in die Politik der Regierung. Und das entsteht nicht, wenn man hektisch Steuerdebatten führt.

Bund und Länder werden in diesem Jahr ohnehin Nachtragshaushalte mit höheren Schulden benötigen. Das Vorziehen der Steuerreform könnte damit finanziert werden. Oder könnte dazu besser eine höhere Mehrwertsteuer dienen?

Die Verbrauchssteuern jetzt zu erhöhen, würde der Wirtschaft überhaupt nichts bringen. Das Geld, dass man den Bürgern über Steuersenkungen gibt, würde man ihnen gleich wieder aus der Tasche ziehen. Wir müssen am 21. Mai in Brüssel belegen, wie ernst wir es mit der Haushaltskonsolidierung und mit Strukturreformen meinen. In einer solch schwierigen Situation, in der wir ohnehin in diesem Jahr zum zweiten Mal das EU-Defizitkriterium überschreiten werden, würde Brüssel ein Vorziehen der Steuerreform nicht akzeptieren.

Der Maastricht-Vertrag behindert also unsere Versuche, aus der Krise zu kommen?

Man kann die Schuld jetzt nicht auf Brüssel schieben. Es stimmt wohl, dass die Vorgaben der EU-Kommission unserer Haushaltsgestaltung Grenzen setzen. Wenn wir jetzt aber die Steuerreformstufen vorziehen, dann müssen wir sie über Schulden finanzieren und mehr Zinsen zahlen. Das Problem wäre nur verschoben. Brüssel bestärkt uns beim Sparen und bei den strukturellen Veränderungen.

Können wir uns das konsequente Sparen, so, wie es Bundesfinanzminister Hans Eichel einst als Maxime ausgegeben hatte, überhaupt noch leisten?

Das Ziel, bis 2006 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, dürfen wir nicht aufgeben. Die Entwicklung in der Realität zeigt jedoch, dass wir dieses Ziel wohl nicht einhalten können.

Dann muss die Regierung nach Brüssel melden, dass sie dieses Ziel verschieben will?

Ja. Ich nehme an, wir werden ein oder sogar zwei Jahre länger benötigen. Das hängt jedoch sehr stark von der Konjunkturentwicklung ab. Die Steuerschätzung im Mai wird Handlungsgrundlagen liefern.

Das Gespräch führte Antje Sirleschtov.

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