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Fachkongress in Berlin: Der Drogenkrieg ist verloren

Eine Welt ohne Drogen. Das hatten die Vereinten Nationen vor zehn Jahren als Ziel ausgegeben. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Anbauflächen wachsen, der Konsum nimmt eher zu, Kriminalität und HIV-Infektionen auch. Experten sind alarmiert. Auf einem internationalen Fachkongress in Berlin suchen sie nach neuen Wegen. Ihr Motto: Mehr Prävention statt Repression.

Von Michael Schmidt

Berlin - Der Kampf ist verloren. Das Ziel einer drogenfreien Welt nicht erreicht, vielleicht auch gar nicht erreichbar. Der Versuch, mit einer Null-Toleranz-Politik die Produktion von Koka, Opium und Cannabis binnen zehn Jahren deutlich zu verringern, ist gescheitert. So eindeutig, so illusionslos, so niederschmetternd fällt das Fazit am Ende der jüngsten UN-Drogen-Dekade aus. In den Worten der Drogenbeauftragten der Bundesregierung: „Das Drogenproblem mit all seinen Nebenerscheinungen – Kriminalität und Infektionskrankheiten – ist weltweit ungelöst.“ Das sagte Sabine Bätzing (SPD) zum Auftakt eines dreitägigen Fachkongresses des Deutschen Caritasverbandes in der Berliner Alice-Salomon-Hochschule, der an diesem Freitag endet.

Die Opiumproduktion hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, die Anbaufläche für Koka in Kolumbien sich verdreifacht. Die Nachfrage ist stabil, steigt bei einzelnen Drogen sogar. Insgesamt konsumieren nach UN-Angaben rund 250 Millionen Menschen illegale Drogen. Entsprechend lukrativ ist der Drogenhandel. Weltweit werden Jahr für Jahr mindestens 400 Milliarden Dollar Umsatz erzielt. Dabei wächst die Macht der Drogenkartelle und kriminellen Netzwerke. Die Durchdringung von Politik – Regierung, Parlament – und mafiösen Strukturen sei in manchen Ländern bereits so fortgeschritten, dass „eine globale Anti-Drogen-Politik lokal gar nicht mehr umzusetzen ist“, wie der kolumbianische Drogenexperte Ricardo Vargas resignierend feststellte. Im Hinblick auf das im Frühjahr in Wien stattfindende UN-Expertentreffen der „Commission on Narcotic Drugs“ suchten die 120 Kongress-Teilnehmer aus 26 Staaten in Berlin nach neuen Konzepten. Der bisherigen Präventionspolitik stellten die Fachleute ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Und machten sich für Alternativen stark. Wichtig sei ein Bewusstsein für soziale Bedingtheiten. Drogenpolitik dürfe sich nicht auf eine repressive Strafverfolgung Süchtiger beschränken, die Vernichtung von Anbauflächen mittels Mensch und Natur gefährdender Gifte nicht das Mittel erster Wahl sein. Vielmehr müssten den Kokabauern andere Einkommensquellen erschlossen werden und die Rehabilitation von Drogenkranken eine größere Rolle spielen.

Abhängige seien, das lehre die Erfahrung, in hohem Maße von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. „Statt die Drogenabhängigen zu kriminalisieren, müssen wir ihnen konkrete Hilfen anbieten“, forderte deshalb Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes. Mit Gregor Burkhart von der Drogen-Informationszentrale der EU wusste er sich einig: Suchtgefährdet sei, anders als weithin angenommen, nicht, wer einmal versuchsweise Drogen konsumiere. Wirklich suchtgefährdet seien vielmehr Menschen in bestimmten Lebenslagen, junge Menschen vor allem, Männer. Jungs aus problematischen Milieus, mit schwierigen Eltern, schlechten Leistungen in der Schule, geringem Selbstbewusstsein oder Verhaltensstörungen, Menschen mit einem Flüchtlings- oder Vertriebenenschicksal. Wer das wisse, dem werde klar, so Burkhart: Teure Massenmedienkampagnen à la ,Sag Nein zu Drogen‘, die sich an jede und jeden richten, bringen nichts. „Information taugt kaum zur Prävention“, so Burkharts Credo. „Wäre das anders, würden Ärzte nicht rauchen.“

Mehr verspräche eine zielgruppenspezifische Prävention, die sich gezielt an potenziell Betroffene wende. Deren Persönlichkeit müsse man stärken, ihnen eine Zukunftsperspektive verschaffen. Wirksame Prävention baue mithin auf Sozialarbeit und Elternberatung, umfasse Qualifikations- und Weiterbildungsmaßnahmen, stelle Kontakte her und schaffe Netzwerke – um, so Caritas-Präsident Neher, den Abhängigen „ein selbstständiges Leben in Gemeinschaft zu ermöglichen“.

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