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Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Debatte über Bürgergeld-Kürzungen: Wegner will Sanktionen, Fahimi mehr Mindestlohn

Während Berlins Regierender sich dem Ruf nach schärferen Sanktionen anschließt, hält die DGB-Chefin bessere Bezahlung als Arbeitsanreiz für sinnvoller. Ifo-Experten wiederum haben einen ganz anderen Vorschlag.

Von Felix Krüger

Bürgergeld-Beziehenden sollte aus Sicht von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schrittweise immer mehr Geld gestrichen werden, wenn sie mehrfach zumutbare Jobs ablehnen. Wer sich verweigere, müsse sanktioniert werden, sagte der CDU-Politiker am Dienstag bei RTL/ntv. Beim ersten Mal müssten 25 Prozent, beim zweiten Mal 50 Prozent des Bürgergeldsatzes gekürzt werden. „Ich sage Ihnen, beim vierten geht er arbeiten.“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte vorgeschlagen, Sanktionen für Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger, die mehrfach zumutbare Arbeitsangebote ablehnen, zu verschärfen. Der Staat solle ihnen für zwei Monate den Bürgergeld-Regelsatz streichen und vorübergehend nur noch die Kosten für Unterkunft und Heizung zahlen. Der Vorschlag ist im rot-grün-gelben Kabinett aber noch nicht endgültig abgestimmt.

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Wegner sagte, die Ampel-Koalition habe offensichtlich endlich begriffen, dass man falsche Anreize setze. Es gebe in Deutschland einen enormen Arbeitskräftemangel. Deshalb müsse klar sein: „Wer morgens aufsteht, arbeiten geht, Leistung erbringt, der muss mehr haben als der, der nicht arbeiten will.“

DGB-Chefin Fahimi: Bürgergeld-Problem ist konstruiert

Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, hält nichts von Sanktionen gegen Arbeitslose.
Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, hält nichts von Sanktionen gegen Arbeitslose.

© Imago/dts Nachrichtenagentur

Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, hat die Diskussion über schärfere Sanktionen für Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger hingegen als Scheindebatte kritisiert. „Das ist die Konstruktion eines Problems, das es eigentlich nicht gibt“, denn ein Großteil der Bürgergeld-Beziehenden könne gar nicht erwerbstätig sein, sagte Fahimi am Dienstag im Deutschlandfunk.

Deutschland brauche vielmehr eine Debatte darüber, wie Geringverdienenden wirklich geholfen werden könne. Ihrer Meinung nach seien ein höherer Mindestlohn und eine bessere Tariflohnabsicherung dafür weitaus geeignetere Mittel. „Auch darüber kann man ein Lohnabstandsgebot sicherstellen, das Arbeit tatsächlich attraktiv macht“, sagte Fahimi weiter. Über Tarifverträge „schaffen wir es, Einstiegsentgeltgruppen sicherzustellen“. Das wäre etwas, „was die meisten Beschäftigten in den unteren Lohngruppen stärken würde“.

Fahimi nannte die zum Jahreswechsel erfolgte kräftige Erhöhung des Bürgergeldes „mehr als gerechtfertigt“. Die Entwicklung der Verbraucherpreise im vergangenen Jahr sei „dramatisch“, die Bürgergeld-Anpassung daher „notwendig und nachholend“ gewesen. Dass das Lohnabstandsgebot teilweise nicht mehr gegeben sei, liege vielmehr „daran, dass die Arbeitgeber erstmalig gegen unseren Willen eine Mindestlohnerhöhung durchgedrückt haben von mickrigen 41 Cent, die unwürdig sind“. Die Politik habe mit der Erhöhung des Mindestlohns mit einem Schub auf zwölf Euro richtig entschieden, die Arbeitgeber versuchten „das zu relativieren“. Dergleichen dürfe „nicht wieder passieren“.

Eine grundsätzliche Lohnzurückhaltung hält Fahimi angesichts von Rekordgewinnen in einigen Branchen für nicht angebracht. Es gebe zwar Unternehmen, die „knapsen“ müssten, räumte die DGB-Vorsitzende ein. Das seien aber nicht diejenigen, die wegen der Lohnentwicklung, sondern vor allem diejenigen, die wegen der Energiepreise Probleme hätten. In wettbewerbsfähigen Energiepreisen sehe sie „nach wie vor eine große Herausforderung der Politik“. Probleme bereiteten auch der mangelnde Grad an Digitalisierung in Deutschland sowie die Frage, in welchem Zustand die Infrastruktur insgesamt sei.

Die Gewerkschafterin bekräftigte auch ihre Forderung nach einer Reform der Schuldenbremse. Die „Jahrhundertaufgabe“, die Energiewirtschaft zu einer klimaneutralen Wirtschaft umzubauen, sei nicht mit einem „Standardhaushalt“ zu bewältigen. „Man darf sich nicht tiefer in die Krise hineinsparen.“ Deutschland verspiele gerade die Zukunft der jungen Generation und zudem die „Chance, ein innovations- und wettbewerbsfähiger Industriestandort zu sein“.

Wirtschaftsforscher schlagen Bürgergeld-Reform vor

Forscher des Münchner Ifo-Instituts und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim haben unterdessen einen Reformvorschlag erarbeitet, von dem Bürgergeld-Beziehende, die Geld hinzuverdienen, profitieren würden. „Diese Reform würde sogar mehr Geld in die Staatskasse bringen“, so Studienleiter Andreas Peichl vom Ifo-Institut in einer Mitteilung vom Dienstag.

Der Reformansatz wurde im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums ausgearbeitet. Bislang werden Sozialleistungen wie das Wohngeld bei Einkommen von mehr als 520 Euro monatlich ansteigend bis 1000 Euro um 80 bis 100 Prozent gekürzt. Damit sich Mehrarbeit lohnt, weil vom Zuverdienst netto mehr übrigbleibt, sieht die Reform nun vor, die Sozialleistungen in Zukunft bis zu einer Verdienstgrenze von 2000 Euro nur zu 70 Prozent zu kürzen.

Die Reform innerhalb des Systems würde demnach aufgrund der höheren Arbeitsanreize die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland um etwa 136.000 Personen erhöhen. „Damit könnte sie sich selbst finanzieren. Denn die öffentlichen Haushalte hätten am Ende rund 1,1 Milliarden Euro mehr an Steuern und Sozialabgaben“, sagte Holger Stichnoth vom ZEW. (mit Agenturen)

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