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Haben sich etwas Luft verschafft: US-Präsident Barack Obama (r.) und Vizepräsident Joe Biden in der Nacht der Entscheidung. Foto: Jonathan Ernst/Reuters

© REUTERS

Politik: Aufgeschoben, nicht aufgehoben

In letzter Minute vermeiden die USA den Sturz von der „Fiskalklippe“ – doch nach der Verschiebung von Kürzungen droht neuer Streit.

Washington - Nach zähen Verhandlungen hat sich der US-Kongress in der Nacht zu Mittwoch auf einen Kompromiss geeinigt, der viele der zum Jahreswechsel in Kraft getretenen automatischen Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen wieder aufhebt. Ohne diese Einigung wäre die weltgrößte Volkswirtschaft über die sogenannte „Fiskalklippe“ in die Rezession gestürzt. In den kommenden Monaten müssen sich die US-Politiker aber auf Einsparungen einigen, um die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen.

Dem Kompromiss stimmten die Demokraten und ein Teil der Republikaner zu. 257 Abgeordnete votierten mit Ja, 167 mit Nein. Republikanervertreter hatten noch vergeblich Änderungen gefordert und weitreichende Ausgabenkürzungen verlangt. Schließlich kam der Text unverändert zur Abstimmung, da die Republikanerführung offenbar fürchtete, von den Wählern für ein mögliches Scheitern verantwortlich gemacht zu werden.

Das Schreckgespenst Rezession – mit dem Kompromiss im US-Haushaltsstreit scheint es vertrieben zu sein. Doch Analysten zufolge verschafft die unter großem Druck entstandene Lösung der US-Wirtschaft nur vorübergehend Luft. „Das hält uns erst mal von der Rezession fern“, sagt Menzie Chinn, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität von Wisconsin-Madison. Die grundlegende Furcht vor einem Abgleiten der US-Wirtschaft bliebe aber bestehen und könnte dazu führen, dass Firmen sich mit Investitionen zurückhielten und so Wachstum behinderten. Die Aussetzung von Ausgabenkürzungen könnte später im Jahr zu einer kleineren Fiskalklippe führen, die aber immer noch das Potenzial habe, die USA in die Rezession zu stürzen. Mit dem Kompromiss wurden massive Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen zwar vermieden, doch zahlreiche Sparmaßnahmen in Milliardenhöhe nur um zwei Monate verschoben. Neue Auseinandersetzungen im Kongress sind also programmiert und neues Ungemach ist schon in Sicht: Relativ unbemerkt erreichten die USA zum Jahresende die Schuldenobergrenze von 16,4 Billionen Dollar. Durch haushalterische Tricks konnte das Limit bis Ende Februar hinausgezögert werden. Diese Deckelung muss spätestens dann – wieder einmal – angehoben werden. Experten fürchten einen neuen, erbitterten Streit zwischen Demokraten und Republikanern. Bereits im Sommer 2011 hatte ein Kampf im Kongress über die Schuldenobergrenze die USA an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht. Die Ratingagentur Standard & Poor’s entzog der Kreditwürdigkeit des Landes die Bestnote, die Finanzmärkte gerieten in Panik. Der drohende Sturz von der Fiskalklippe verlor für viele Marktteilnehmer zunehmend an Schrecken.

Brechen die Parteien über die „debt ceiling“ aber einen neuen heftigen Streit vom Zaun, könnte die Stimmung ganz schnell wieder kippen. „Wir gehen weiter von einer Abkühlung der Wirtschaft zu Jahresbeginn aus“, schreiben die Analysten von Nomura in einer Kurzstudie.

Der jüngste Streit war eigentlich eine Folge der bitter erkämpften Einigung zur Schuldenobergrenze von vor anderthalb Jahren. Damals hatten sich US-Präsident Barack Obama und der Kongress auf die nun in letzter Minute abgewendeten, automatischen Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen verständigt, sollte bei Sparmaßnahmen für den Haushalt keine Übereinkunft zustande kommen. All das, fürchten Experten, könnte in kurzer Zeit wieder von vorne anfangen. AFP/rtr

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