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Grünes Wunder. Forscher vom Riken-Institut für Entwicklungsbiologie im japanischen Kobe verkündeten Ende Februar sie hätten eine neue Methode entdeckt, um Stammzellen zu erzeugen. Als Beweis präsentierten sie Fotos von Embryos, die sich aus den grün markierten Stammzellen entwickelt haben sollen.

© dpa

Was WISSEN schafft: Stresstest für die Stammzellforschung

Wahre Wunder, Fälschungen und Verfehlungen. Unser Autor kommentiert den Trubel um eine Aufsehen erregende Stammzellstudie.

Es war eine Sensation: Im Januar verkündeten japanische Forscher im renommierten Fachblatt „Nature“, sie hätten eine neue, verblüffend einfache Methode entdeckt, Mauszellen in Stammzellen zu verwandeln. Stammzellen können zu jeder beliebigen Zelle des Körpers werden. Darum beflügeln die winzigen Alleskönner die Fantasie von Forschern, egal ob es darum geht, das Gehirn zu verjüngen, das Herz zu stärken oder das Rückgrat zu reparieren.

Die Wissenschaftler am Riken-Zentrum für Entwicklungsbiologie in Kobe behaupteten nun, Zellen müssten nur gestresst werden, um sie in diesen Urzustand zurückzuzwingen. So reichten etwa 20 Minuten in einem Säurebad aus, um Mauszellen in die begehrten Alleskönner zu verwandeln. Forscher aus aller Welt äußerten sich begeistert über die Entdeckung. Sie verspreche einen einfacheren, schnelleren Weg zur regenerativen Medizin.

Sechs Wochen später ist die Begeisterung verflogen und das leidgeprüfte Stammzell-Feld hat einen neuen Skandal. Zahlreiche Forscher haben versucht, das Experiment zu wiederholen, bisher ohne Erfolg. Blogger machten auf seltsame Zufälle bei Fotos in der Veröffentlichung aufmerksam und legten nahe, die Bilder könnten manipuliert worden sein. Das Riken-Institut untersucht die Studie inzwischen. Nun haben einige der Autoren selbst vorgeschlagen, die Veröffentlichung erst einmal zurückzuziehen.

Tatsächlich wäre das der richtige Schritt. Die Stammzellforschung hat, so jung sie ist, eine ganze Reihe unschöner Geschichten zu bieten und das Versprechen einer neuen Medizin droht unter Fälschungsvorwürfen verschüttet zu werden. Ein Signal, dass es in dem heiß umkämpften Feld keinen Platz für unsauberes Arbeiten gibt, wäre bitter nötig. In der Öffentlichkeit ist vor allem der Fall Hwang Woo-Suk bekannt. Der koreanische Forscher behauptete vor zehn Jahren im Fachblatt „Science“, aus geklonten menschlichen Embryonen Stammzellen hergestellt zu haben. Wenig später verkündete er, das Gleiche sei mit den Zellen eines Patienten gelungen. Doch die Sensation erwies sich als Fälschung. Die Studien wurden zurückgezogen, Hwang wegen Veruntreuung von Steuergeld vor Gericht gestellt.

Auch in Deutschland schwelen Konflikte. So verkündete der Tübinger Forscher Thomas Skutella 2008, er habe in Hoden eine neue Quelle für Stammzellen gefunden. Kollegen kritisierten die Arbeit. Eine Untersuchung der Universität kam zu dem Schluss, der Forscher habe „erheblich gegen die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis verstoßen“. Dennoch wurde das Verfahren eingestellt, da im Sinne der Verfahrensordnung „kein evidentes Fehlverhalten“ vorlag. Nun versucht die Uni Heidelberg, an die Skutella in der Zwischenzeit gewechselt ist, den Forscher loszuwerden, indem sie ihm bereits zugesagte Mittel verweigert. Vor zwei Wochen unterlag sie damit vor Gericht.

Und die Universität Düsseldorf hat jüngst eine ganze Reihe klinischer Studien untersucht, in denen der Forscher Bodo-Eckehard Strauer Patienten mit Herzstammzellen behandelt haben will. Im Februar gab die Universität bekannt, ein Disziplinarverfahren gegen Strauer einzuleiten. Man darf also davon ausgehen, dass es etwas zu beanstanden gibt. Die Ergebnisse der Untersuchung sind aber nach wie vor geheim. „Um das Disziplinarverfahren nicht zu gefährden“, wie es aus der Uni heißt. Strauers Studien bleiben also erst einmal – mit einem großen Fragezeichen versehen – Teil der Forschungsliteratur. Für die Stammzellforschung ist das eine Katastrophe. Gerade weil es um ein umstrittenes Feld geht, das vielen Patienten große Hoffnungen gemacht hat, sollten die Fälschungen und Verfehlungen einzelner Forschergruppen möglichst offen diskutiert werden. Die Wissenschaftler, die auf Blogs die Ungereimtheiten der neuen Studie aus Japan veröffentlichten, machen es genau richtig.

Man darf nicht vergessen: Stammzellen sind vor allem deshalb so ein heißes Forschungsfeld, weil sie geradezu wundervolle Eigenschaften haben. Umso wichtiger ist es, besonders kritisch zu prüfen und wahre Wunder von vermeintlichen zu trennen. Schafft das Feld das, könnte es verjüngt aus dem Stresstest hervorgehen. Ganz so wie die japanischen Stammzellen aus dem Säurebad. Falls es sie wirklich gibt.

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