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Meinung: Sollten Patientenverfügungen für Ärzte grundsätzlich bindend sein?

Zur Diskussion über Patientenverfügungen Bei der seit langem anhaltenden Diskussion über die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen fällt auf, dass oft Verunsicherung bei allen Beteiligten – Ärzten, Patienten und Politikern – vorherrscht. Keiner weiß so recht, woran er ist.

Zur Diskussion über Patientenverfügungen

Bei der seit langem anhaltenden Diskussion über die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen fällt auf, dass oft Verunsicherung bei allen Beteiligten – Ärzten, Patienten und Politikern – vorherrscht. Keiner weiß so recht, woran er ist. Ich persönlich würde mir wünschen, dass mein Wille im Krankheitsfall respektiert wird, wenn eine Kommunikation mit mir nicht mehr möglich ist, weil ich zum Beispiel Demenzkrank bin oder nach mehreren Schlaganfällen nicht ansprechbar im Bett liege. Eine lebenserhaltende Behandlung, künstliche Ernährung zum Beispiel, würde ich ablehnen, auch wenn eine theoretische Chance auf Besserung meines Zustands bestünde.

Nun ist es aber wohl so, dass Ärzte, selbst wenn ich dies in einer Patientenverfügung verbindlich festgelegt haben sollte, nicht unbedingt daran gebunden sind. Uns Bürgern wird in vielen Fällen unterstellt, wir verstünden die Tragweite einer solchen Erklärung nicht. Tatsächlich ist es aber so, dass viele Menschen - gerade auch vor dem Hintergrund, dass ein dahinvegetieren im Pflegeheim oft die Alternative darstellt - bewusst auf letzte Überlebenschancen verzichten. Wir wollen uns keiner ärztlichen Fremdbestimmung unterwerfen! Dies zu respektieren fällt vielen „Göttern in Weiß“ offensichtlich schwer. Eine gesetzliche Regelung für die Patientenverfügung scheint mir deshalb unerlässlich zu sein. Die Verfügung sollte prinzipiell und unabhängig von dem Krankheitszustand gültig sein. Alles andere verletzt die Würde des Menschen und sein Selbstbestimmungsrecht.

Klaus Winterberg, Berlin-Neukölln

Sehr geehrter Herr Winterberg,

angesichts der Sensibilität und Komplexität des Themas Patientenverfügung ist es mir wichtig, eine Bemerkung voranzustellen:

Bei der Patientenverfügung geht es nicht um einen Konflikt zwischen dem Arzt und seinem Patienten. Beide haben einen Anspruch auf Rechtssicherheit und Verlässlichkeit. Kann man auch über die Frage unterschiedlicher Meinung sein, ob wir tatsächlich neue gesetzliche Regelungen brauchen, so sollte ein neues Gesetz vor allem diese beiden Aspekte eindeutig und unmissverständlich regeln. Betroffene Patienten müssen sicher sein, dass ihr Wille im Falle eines Falles beachtet wird. Gleichzeitig aber müssen auch die behandelnden Ärzte, Angehörige und Betreuer die Sicherheit haben, dass die Beachtung des Patientenwillens keine rechtlichen Folgen für sie nach sich zieht. Keinesfalls dürfen durch gesetzliche Regelungen neue Verunsicherungen im medizinischen Alltag hervorgerufen werden.

Schon heute gilt, dass der in einer Patientenverfügung geäußerte Wille für das ärztliche Handeln grundsätzlich verbindlich ist. Die Wahrung der Menschenwürde und die Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte der Patienten ist ärztlicher Maßstab für jede medizinische Behandlung. Dies gilt ganz ausdrücklich auch für im Vorfeld geäußerte Willensbekundungen von Patienten. Diskutiert wird im Zusammenhang mit der geplanten Gesetzgebung nun vor allem darüber, die Wirkung des Patientenwillens darauf zu begrenzen, dass die Krankheit einen unumkehrbar zum Tode führenden Verlauf genommen hat. Eine solche Regelung steht jedoch nach meinem Empfinden im Widerspruch zum Recht eines jeden Patienten, sich grundsätzlich für oder gegen eine medizinische Handlung zu entscheiden und gegebenenfalls auch den Umfang zu bestimmen. Um mich also an dieser Stelle nicht vor einer klaren Aussage zu drücken: Es darf grundsätzlich bei einer zu treffenden Entscheidung über die Behandlung oder aber die Nichtbehandlung eines Patienten keinen Unterschied geben zwischen dem zu diesem aktuellen Zeitpunkt einwilligungsfähigen oder aber nicht mehr einwilligungsfähigen Patienten. Der nicht mehr einwilligungsfähige Patient kann also auch durch eine im Vorfeld getroffene Patientenverfügung eine Behandlung ablehnen. In Abwägung mit dem ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Schutz des Lebens ist allerdings zu berücksichtigen, dass dies nur dann gelten kann, wenn in der Patientenverfügung die konkrete Behandlungssituation genau beschrieben ist und keine Anhaltspunkte vorliegen, die auf einen geänderten Willen hindeuten.

Bei allem Respekt vor der Selbstbestimmung eines Patienten darf aber keine gesetzliche Regelung den behandelnden Arzt zu einer aktiven Sterbehilfe zwingen! Dies ist für einen Arzt, der seinen Beruf ergriffen hat, um zu helfen und zu heilen unter keiner Voraussetzung akzeptabel. Diesen Gesichtspunkt bitte ich bei allen nachvollziehbaren Ansprüchen auf das Recht der Selbstbestimmung zu berücksichtigen.

Die Wirksamkeit einer Patientenverfügung, vor allem aber auch ihr Widerruf, sollte nach meiner Überzeugung nicht von bestimmten Formalitäten abhängig gemacht werden. Entscheidend ist die Beurteilung, ob der in einer Patientenverfügung geäußerte Wille weiterhin gültig ist. Es darf allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür geben, dass der Patient möglicherweise entgegen der von ihm vorher getroffenen Entscheidung in der akuten Behandlungssituation seine Lage neu beurteilt. Ungeachtet bestimmter Formfragen ist allerdings der schriftliche Nachweis des Patientenwillens unabdingbar.

Mit freundlichen Grüßen

— Dr. Kuno Winn,Vorsitzender des Hartmannbundes – Verband der Ärzte Deutschlands e.V.

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