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Meinung: Russlands Außenpolitik: Ein bisschen wie früher

Der Kreml versucht verstärkt, die russische Weltmachtrolle zurückzugewinnen. Oder zumindest so zu tun, als ob.

Der Kreml versucht verstärkt, die russische Weltmachtrolle zurückzugewinnen. Oder zumindest so zu tun, als ob. In Teilen Asiens zum Beispiel, wo es in der Tat reale Chancen gibt, den Hauptrivalen USA auszustechen. Im Mittelpunkt steht dabei Korea. Mit einer Offensive des Lächelns versucht Moskau verlorene Positionen im kommunistischen Norden und neue im wirtschaftsstarken Süden für sich zu sichern. Seit einem Jahr bemüht sich Putin bereits um mehr Präsenz in Pjöngjang. Vorsorglich, um nach einem möglichen Kollaps des dortigen Regimes das Feld nicht ganz dem amerikanischen "Raketengegner" sowie den regionalen Hegemonialmächten Japan und China zu überlassen. Sonst bleibt Nordkorea ein bitterarmes Land, dessen Finanzierung im alten Sowjetstil sich der Kreml nicht mehr leisten kann.

Deshalb ist es nur folgerichtig, dass der russische Präsident sich nun verstärkt Südkorea zuwendet, wo er auf Investoren und Know-how hoffen kann. Ein Sinnbild für die angestrebte Anbindung ist der russische Wunsch, den Süden über den demnächst wiederhergestellten Schienenstrang nach Nordkorea an die Transsibirische Bahn anzuschließen. In Seoul spricht Putin daher im Gegensatz zu Pjöngjang offen über die koreanische Wiedervereinigung, die Russland unterstützen wolle.

Bei seinem geostrategischen Vorstoß nach Ostasien setzt der russische Staatspräsident gezielt auch auf latente Interessenkonflikte zwischen Seoul und Washington. Der Zankapfel heißt dabei vor allem NMD - der von den Amerikanern geplante nationale Schutzschirm gegen Raketenangriffe aus "Sorgenstaaten" wie etwa gerade Nordkorea. Die Südkoreaner fürchten, vom alten amerikanischen Verbündeten in der Kälte gelassen zu werden, und darüber hinaus eine noch größere Bedrohung aus dem dann in eine gefährliche Defensivecke gedrängten stalinistischen Norden. Von dem NMD-Streit zwischen den USA und weiten Teilen auch des politischen Westens verspricht sich Putin wahrscheinlich außerdem Pluspunkte für eine Interessengemeinschaft mit Tokio; trotz des Dauerkonflikts um die seit 1945 von Moskau besetzten japanischen Kurilen.

Obwohl die weitere Station der Reise Putins - Vietnam - angesichts seiner Asienstrategie gegenüber den USA gewissermaßen ein Heimspiel ist, ergänzt die Visite bei dem einstigen Kriegsgegner Amerikas trefflich das Gesamtbild: eine erhoffte Einflusssphäre vom befreundeten Hanoi bis Seoul; somit auch eine (südliche) Einkreisung der künftigen Weltmacht China. Dabei könnte die letztere Metropole eine Schlüsselrolle spielen. Die Korea-Strategie des russischen Staatschefs ist klar auf die fernere Zukunft ausgerichtet, auf die Zeit nach der politischen Teilung der fernöstlichen Halbinsel. Auch dann will Moskau mit von der Partie sein: als lächelnder Dritter.

Alexander Loesch

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