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Meinung: Allgemeine Verunsicherung

Die Industrie muss neue Kraftwerke bauen – die Politik streitet, welche

Die Chefs der deutschen Energiekonzerne sind ratlos. In den nächsten Jahren müssen sie mindestens 30 Milliarden Euro in neue Kraftwerke investieren. Dafür brauchen sie Planungssicherheit. Ein Kraftwerk lässt sich nicht von heute auf morgen bauen, ist dann aber Jahrzehnte im Einsatz. Da wären klare Vorgaben der Politik, welche Energiearten gewünscht sind, hilfreich.

CDU-Chefin Angela Merkel hat gerade bekräftigt, die Union wolle im Fall eines Wahlsiegs 2006 den Ausstieg aus der Kernenergie kippen. Und in der rot-grünen Regierung tobt ein Streit zwischen dem Wirtschafts- und dem Umweltminister um zwei andere Energiearten. Wolfgang Clement, SPD-Mann und ehemaliger Landesvater von Nordrhein-Westfalen, möchte, dass deutsche Steinkohle – aus strukturpolitischen Gründen – weiter eine wichtige Rolle bei der Stromerzeugung spielt. Der Grüne Jürgen Trittin will die regenerativen Energien wie Windkraft massiv ausbauen – wegen des Klimaschutzes. Das Ziel ließe sich zwar auch mit Atomstrom erreichen, aber den Weg hat sich Rot-Grün politisch verbaut.

Hinzu kommt die Debatte um den Abbau von Subventionen. Und da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Alternative Energien werden inzwischen mit genauso vielen Milliarden Euro gepäppelt wie die heimische Steinkohle. Doch gibt es gravierende Unterschiede. Die Milliarden für die Bergleute haben mit Energiepolitik wenig zu tun, sie sollen helfen, die Arbeitsmärkte an Ruhr und Saar zu regulieren. Mit dem Geld für Windkraft, Solartechnik oder Bioenergie wird dagegen eine High-Tech-Branche subventioniert. Höchst unterschiedlich ist auch der Nutzen, wenn man die Förderung auf die jeweils produzierten Energiemengen umlegt: Die drei Milliarden für die Steinkohle betreffen immerhin zwölf Prozent der deutschen Stromerzeugung. Die drei Milliarden für alternative Energien dagegen lediglich drei Prozent. Anders gesagt: Die von Trittin gewünschte Energieart kommt die Bürger wesentlich teurer. Strom aus Kohle könnte zudem noch viel billiger sein – wenn nur preiswerte und nicht subventionierte Importsteinkohle verfeuert würde. Kohlekraftwerke könnten ganz ohne staatliche Unterstützung Strom erzeugen.

Es lohnte also gar nicht, lange um sinnvolle staatliche Förderschwerpunkte zu streiten – gäbe es nicht den Klimaschutz, den Rot-Grün ganz oben auf die Agenda stellt. Nur mit dem Ausbau regenerativer Energien sind die ehrgeizigen Ziele der Regierung zu erreichen. Deshalb sollen Wind, Wasser und Sonne schon in wenigen Jahren zwölf Prozent der Stromerzeugung bestreiten – was aber nur mit entsprechend hoher Förderung geht.

Jeder Schnitt in den Subventionsdschungel ist also gleichbedeutend mit einer energiepolitischen Vorentscheidung. Vor der sich die Koalition drückt.

Seit dem spektakulären Blackout in New York spielt ein weiteres, fast vergessenes Argument wieder eine größere Rolle: Versorgungssicherheit. Eine hoch entwickelte Volkswirtschaft wie die deutsche kann sich einen umfassenden Stromausfall nicht leisten. Wind- oder Solarkraftwerke sind jedoch unsichere Kandidaten. Selbst wenn sie, wie Trittin das will, in zehn Jahren die heimische Steinkohle bei der Stromerzeugung ersetzen würden. Die modernen Windmühlen können keine Grundversorgung mit Strom garantieren. Wenn Flaute herrscht, ist eben Stromausfall. Bei Sturm ebenso – dann schalten die Rotoren sicherheitshalber ab. Windräder sind im Jahr nur rund 1700 Stunden im Einsatz, ein konventionelles Kraftwerk dagegen bis zu 5900 Stunden. Wie Trittin Deutschland da verlässlich mit Strom versorgen will, sagt er nicht. Und weder Regierung noch Opposition geben den Energiekonzernen Planungssicherheit.

Wirtschaftsminister Clement will heute seinen Monitoring-Bericht zur Wettbewerbslage in der deutschen Energiewirtschaft vorlegen – was die Verunsicherung wohl auch nicht beendet. Seine vorsichtigen Pläne, die Strom- und Gasnetze künftig von einem Regulierer nur überwachen zu lassen, teilt Trittin nicht. Der Umweltminister wünscht strenge Vorgaben und weitgehende Kontrolle durch den Staat.

Da werden sich die vier größten deutschen Stromversorger RWE, Eon, Vattenfall und EnBW, die 80 Prozent der Stromerzeugung bestreiten und das gesamte Fernnetz kontrollieren, sagen: besser keine neuen Kraftwerke vor der nächsten Bundestagswahl planen. Vielleicht dürfen sie ihre Atommeiler danach weiter betreiben, vielleicht wird das rot-grüne Öko-Programm eingestampft, vielleicht aber auch ausgebaut. Höchstwahrscheinlich ist es dann aber zu spät für eine kontinuierliche Planung, wie der Strombedarf der Zukunft gedeckt werden soll. Denn alte Kraftwerke müssen vom Netz – ohne Rücksicht auf politischen Tagesstreit.

Dieter Fockenbrock

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