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Kultur: Was machen wir heute?: BSE-Erreger zählen

Eine Bekannte, deren Kinder schon um die zwanzig sind, erzählte mir kürzlich, früher hätten sich die Mütter noch über die Erziehung ihrer Kinder gestritten; heute dagegen redeten sie nur noch über ihre Ernährung. Hm!

Eine Bekannte, deren Kinder schon um die zwanzig sind, erzählte mir kürzlich, früher hätten sich die Mütter noch über die Erziehung ihrer Kinder gestritten; heute dagegen redeten sie nur noch über ihre Ernährung. Hm! In der Tat beobachte ich auch bei meinen kinderlosen Freunden eine zunehmende Empfindlichkeit in Ernährungsfragen. Sogar eine Kollegin, die ich immer für ihre Bodenständigkeit bewundert habe, die mit beißendem Spott über "Hardcore-Öko-Muttis" herzog, während ich im Stillen errötete, weil ich Brot und Müsli im Bioladen kaufe, selbst sie spricht neuerdings davon, welchen Gefahren man sich durch unüberlegtes Fressen aussetzt, und kauft nur noch Fleisch von Neuland.

Inmitten all der Schreckensmeldungen über unser verseuchtes, wahnsinniges Essen hat mich dagegen eine große, eine süße Sorglosigkeit ergriffen. Ich rekapituliere, was ich im Laufe meines Lebens in mich hineingeschlungen habe, auch und gerade in meiner unaufgeklärten Kindheit und Jugend, rechne sämtliche Schadstoffe, Farbstoffe, Hormone, Zuckerkilos und BSE-Erreger zusammen und stelle fest: Ich müsste längst mit drei faulen Zahnstümpfen unter der Erde liegen. Stattdessen bin ich lebendig wie ein Regenwurm und habe Zähne wie ein Hai. Also: Wenn Renate Künast die Landwirtschaft umstellen möchte, soll sie es im Interesse des Planeten und der Tiere unbedingt tun; für mich ist es nicht nötig.

Dummerweise gehöre ich nämlich zu den Menschen, die gute, gesunde, biologisch angebaute und sinnlich zubereitete Kost auf das höchste schätzen, jedoch keinerlei Geduld dafür haben. Wir sind faul; wir scheuen den Aufwand. Frauen wie ich machen sich nur an Männer heran, die gerne kochen; für einen guten Kantinenwirt würden wir die Arbeitsstelle wechseln, und im Rentenalter umgarnen wir den Mann vom fahrbaren Mittagstisch. Für uns hat die Firma Pfanni gerade vorgegarte Kartoffeln entwickelt, eine Erfindung, die ich zutiefst verabscheuungswürdig finde. Aber ist die natürliche Garzeit der Kartoffel nicht entschieden zu lang? Kurzum, ich überlasse meine Ernährung am liebsten anderen.

Auch die des Kindes. Ich frage erst gar nicht, was die Tagesmutter ihm mittags gibt; mit Sicherheit kocht sie ihm besseres Essen, als ich es an ihrer Stelle täte. Zur Beruhigung meines Gewissens denke ich daran, was Millionen von Kindern in anderen Ländern verzehren: Hunde, Heuschrecken, Ratten, Schlangen. Igitt! Das Kind selbst ist auch ganz undogmatisch. Es liebt Schokolade, aber auch Joghurt und Bananen. So leben und futtern wir leichtsinnig vor uns hin. Hin und wieder kocht uns der Kindsvater etwas Schönes. Ist das nicht nett von ihm? Die paar Schadstoffe essen wir da gerne mit.

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