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Was machen wir heute?: Uns was klar

Angefangen hat es wie meist in solchen Fällen, mit einem Zufall. Ich war mit einem Freund essen, eine junge Frau betrat das Restaurant, die ich von früher kannte und seit Jahren nicht gesehen hatte.

Angefangen hat es wie meist in solchen Fällen, mit einem Zufall. Ich war mit einem Freund essen, eine junge Frau betrat das Restaurant, die ich von früher kannte und seit Jahren nicht gesehen hatte. Bamberg, Studentenzeit, viel passiert seither. „Nette Überraschung!“, „Lass uns doch mal treffen demnächst!“, etc. Was man so kennt, abzüglich des Gefühls von Pflichtschuldigkeit.

Die nette Frau lud mich auf eine Party ein, sie hatte Geburtstag. Wie sich herausstellte, war es eine Feier, zu der eine Reihe weiterer Ex- und Exil-Bamberger eingeladen waren. Also eine Art Klassentreffen. Also das, was ich zu vermeiden versucht habe, seit ich vor ein paar Jahren nach Berlin kam. Nicht, dass mich grundsätzliche nicht interessierte, was aus den Menschen geworden ist. Aber der Weißt-du-noch-Faktor solcher Veranstaltungen scheint mir für Menschen meines Alters unangemessen. Noch einigermaßen junge Menschen, die ausdauernd nur über die gute alte Zeit reden. Ich bin auch nicht der Typ für Exilanten-Stammtische.

Die Feier am Wochenende hat meine Haltung infrage gestellt. Der Abend war ausgesprochen nett und gegenwärtig. Es lag daran, dass die Ex- und Exil-Bamberger eine nicht zu unterschätzende Kulturleistung vollbracht haben: Sie haben sich nicht wie Exil-Bamberger aufgeführt, sondern wie Menschen, die ein Leben nach dem Davor haben.

Früh am Morgen, auf dem Nachhauseweg in der Straßenbahn, kurz vor dem Aussteigen, sagte einer der Partygäste, Berliner: „Es ist wahrscheinlich unfair nach so einem Abend, aber es ist manchmal echt hart, wenn man einem Haufen Zugezogener ausgeliefert ist. Ich hoffe, du verstehst das nicht falsch.“ Ich fand, es gab gar nicht so viel falsch zu verstehen. Er hätte ebenso gut sagen können, du musst dich entscheiden, ob du Berliner sein willst oder Exilant. Ich denke nach.

Die Internet-Suchmaschine Google findet zum Thema „Stammtisch, Berlin“ 1 020 000 Treffer: Für oder gegen alles, was irgendwie Identität stiftet: Schweden-Stammtisch, Reptilien- Stammtisch, Blechroller-Stammtisch usw.

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