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Roger (David Alan Grier, rechts) führt Aren (Justice Smith) in einen Geheimbund ein, der „Black Lives Matter“ eigenwillig interpretiert.

© Focus Features

„The American Society of Magical Negroes“ im Kino : Der beste Freund eines Weißen

Weiße Empfindlichkeit und das N-Wort. Regiedebütant Kobi Libii will es seinem Publikum mit der Fantasy-Komödie „The American Society of Magical Negroes“ nicht zu leicht machen.

Von Andreas Busche

Für weiße Filmkritiker – und sie stellen immer noch die überwiegende Mehrheit in unserem Metier dar – hat der amerikanische Regisseur und Autor Kobi Libii einen kleinen Widerhaken in seinen Film eingebaut. Wie schreibt man über einen Film, der im Titel das N-Wort benutzt? Diskussionen über historische diskriminierende Worte haben in den vergangenen Jahren ja bereits zu einer Neulektüre – und sogar zu neuen Übersetzungen – von Literaturklassikern geführt.

In der Bewertung von Sprache ist aber immer auch entscheidend, wer sich mit welcher Absicht die Begriffe aneignet. Afroamerikanische Rapper benutzen das N-Wort (was man auch kritisch sehen könnte), weiße Hip-Hop-Fans werden hingegen zu Recht schief angesehen, wenn sie solche Rap-Lyrics zitieren.

Unbehagen im Reden über den Film

Insofern erfüllt der Titel „The American Society of Magical Negroes“ eine doppelte Funktion. Eine Komödie, die das „weiße Unbehagen“ in einer Gesellschaft thematisiert, in der People of Color immer noch dem Phänomen des „Othering“ ausgesetzt sind. Und das nicht per se in böser Absicht, es reicht schon ein unbedachter Kommentar oder eine übertriebe Reaktion, die die Angesprochene als „anders“ markieren.

Als einigermaßen sensibilisierter weißer Kritiker benutzt man diesen Titel widerwillig – und ist unwillkürlich versucht, ihn nur so oft wie unbedingt nötig zu verwenden. Das Unbehagen setzt also schon im Reden über den Film ein, ein kluger Schachzug vom Regiedebütanten Libii.

Die titelgebende Gesellschaft ist ein Geheimbund, dessen Mitglieder dazu auserkoren sind, Weißen das Unbehagen vor ihren afroamerikanischen Mitmenschen zu nehmen. Denn nur, wenn sich Weiße in der Gesellschaft von Schwarzen sicher fühlen, müssten diese nicht um ihre Leben fürchten, erklärt Roger (David Alan Grier) seinem neuen Schützling Aren (Justice Smith).

Zur Beweisführung „befriedet“ Roger mit einem Zaubertrick einen feindselig dreinblickenden Polizisten und lädt ihn danach in einen schwarzen Nachtclub ein. Dass „weißes Unbehagen“ nicht die Grundlage für Rassismus in Amerika ist, sondern eher ein Symptom, ignoriert das Drehbuch von Kobi Libii geflissentlich.

Aren erweist sich als perfekter Kandidat als Beruhigungsmittel für die weiße Mehrheitsgesellschaft, durch die er sich wie ein Geist bewegt: ein Wiedergänger von Ralph Ellisons „unsichtbarem Mann“. Auf der Vernissage einer Gruppenausstellung hält ihn der reiche Sammler nicht für einen der Künstler, sondern für den Kellner. Aren ist so rücksichtsvoll und unscheinbar, dass er für Weiße keine Gefahr darstellt – und deswegen ständig übergangen wird.

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Die Figur des „Magical Negro“ geht auf Spike Lee zurück, der mit dem Begriff vor über zwanzig Jahren ein rassistisches Hollywood-Stereotyp kritisierte: die Figur des schwarzen Sidekicks, dessen einzige Funktion daran besteht, das weiße Narrativ zu stützen. Eines der bekannteren Beispiele ist Morgan Freemans Figur in der Komödie „Miss Daisy und ihr Chauffeur“.

Libii nimmt diese rassistische Trope nun beim Wort und schafft eine Harry-Potter-artige Fantasiewelt (mitten im Los Angeles der Gegenwart), angeführt von der Hohepriesterin Dede (Nicole Byer), die buchstäblich über den Dingen schwebt.

Selbstverleugnung ist keine Lösung

Dass diese Selbstverleugnung keine Lösung für eine gesunde afroamerikanische Identität sein kann, merkt Aren gleich bei seinem ersten Auftrag für die „Society“: Er soll das Selbstbewusstsein Jasons (Drew Tarver) aufpäppeln, der für eine Internet-Datenkrake namens Meetbox arbeitet. Deren jüngste App hat im Netz gerade einen Shitstorm ausgelöst, weil die Gesichtserkennungssoftware keine Afroamerikaner erkennt. Hashtag Ghanagate.

Lizzie (An-Li Bogan) und Aren (Justice Smith) müssen durch eine „post-rassistischen“ Gesellschaft navigieren.

© Tobin Yelland / Focus Features/Tobin Yelland / Focus Features

Aren plagt allerdings auch ein Interessenkonflikt, der seine Aufgabe erschwert. Er hat sich in die gemeinsame Kollegin Lizzie (An-Li Bogan) verliebt, auf die sein neuer „Tech Bro“ ebenfalls ein Auge geworfen hat. Oder im Jargon des Films: Jason hat Arens Zuneigung zu Lizzie „kolonialisiert“. Auch in Liebesfragen findet das weiße Privileg stets den Weg des geringsten Widerstands.

Und so lanciert „The American Society of Magical Negroes“ trotz seines vielversprechenden Ansatzes bald etwas unentschlossen zwischen einer Sozialsatire über die african-american experience und einer romantischen Komödie über zwei Menschen uneindeutiger ethnischer Zuschreibung.

Aren und Lizzie, die zögerlich umeinander herumscharwenzeln, haben für People of Color nämlich eine sehr helle Haut, weswegen Jason irgendwann natürlich den Standardsatz „Ich bin kein Rassist“ zum Besten geben darf. Kobi Libii inszeniert klug die Schlingfallen der Alltagskommunikation in einer „post-rassistischen“ Gesellschaft, belässt es aber bei bloßen Beschreibungen.

Für einen Film, der sich über „weiße Empfindlichkeit“ lustig macht, fehlt es dem Drehbuch letztlich am nötigen Biss. Fast so, als versuche Libii, anders als etwa Jordan Peele in „Get Out“, seinem weißen Publikum möglichst nicht zu nahezutreten. Womit er dann tatsächlich in dieselbe Falle tappt, von „The American Society of Magical Negroes“ handelt.

Dieser problematischen Interpretation des Slogans „Black Lives Matter“ ist sich der Film, durchaus selbstironisch, bewusst. Im aktuellen Diskurs zwischen den schwarzen Bürgerrechtsbewegungen der 1960er und 2020er Jahre nimmt Libiis Film aber eine eher moderate, keine radikale Position ein. Man würde zu gerne wissen, wie Spike Lee darüber denkt.

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