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Kultur: Politische Verbal-Attacken: "Die Leute ertragen solche Flegeleien nicht mehr"

Peter Glotz (61) ist Professor für Medienwissenschaften. Für die SPD saß er von 1972 bis 1977 und von 1983 bis 1996 im Bundestag.

Peter Glotz (61) ist Professor für Medienwissenschaften. Für die SPD saß er von 1972 bis 1977 und von 1983 bis 1996 im Bundestag.

Sind Äußerungen, wie wir sie zum Aschermittwoch gehört haben, noch Karneval oder der neue politische Stil, an den wir uns zu gewöhnen haben?

Das ist die sich immer stärker einschleichende Routine der Beschimpfung, die selbst bei Franz Josef Strauß und Herbert Wehner nicht so primitiv war, weil sie mehr in der Sache fundiert war. Bei beiden spürte man, dass ihre Beschimpfungen aus Weltanschauungen kamen, heute kommen sie aus Marketinggesichtspunkten. Das wird dazu führen, dass die Leute sich noch stärker von der Politik abwenden, weil sie diese Art von Flegeleien nicht mehr ertragen.

Wie weit darf eine politische Attacke gehen?

Wenn sie von inhaltlichen Überzeugungen ausgeht, von einer thematischen Zuspitzung, dann ist Zuspitzung nicht nur legitim, sondern notwendig. Wenn man aber merkt, es geht nur darum, Aufsehen zu erregen, einen Spruch abzusondern, der die Würde des anderen in Mitleidenschaft zieht, dann ist das nicht zu rechtfertigen.

Hat die Politik Maß und Mitte in der politischen Auseinandersetzung verloren?

Ich mache mich ungern zum Prediger von Maß und Mitte. Ich glaube aber schon, dass dieser Zwang zur Medienperformance, der Zwang, sich in einem vielschichtigen und differenzierten Medienkontext durchzusetzen, zu bewusst gewählten Zuspitzungen führt. Die kommen nicht mehr aus einer inneren Überzeugung, sondern sind dazu da, grelle Blitze in die Szene zu schleudern.

Ist das nur eine Frage der Medienperformance oder auch der fehlenden Inhalte?

Zwei Entwicklungen kommen zusammen. Zum einen, dass das politische Personal in den letzten Jahren schwächer geworden ist, weil die besseren Leute in die Wirtschaft abwandern. Die wirtschaftliche Elite ist in den vergangenen 30 Jahren ständig stärker geworden, die politische schwächer. Das durchschnittliche Mitglied einer deutschen Aktiengesellschaft ist um sehr vieles stärker als das durchschnittliche Mitglied des Bundestages. Das war zu Zeiten von Strauß und Wehner noch andersherum. Zum anderen müssen diese schwächeren Politiker sich nun in einem viel komplizierteren Medienkontext durchsetzen. Das führt zu solchen hysterischen Aufschreien, die dann als Kraft getarnt werden. Diese Mischung aus geringer werdender Substanz und mehr Medien führt zu Laurenz Meyer.

Fehlt der Respekt vor dem Gegner?

Das ist eine Feststellung, die zu allgemein wäre. Respektlose Leute hat es auch früher gegeben. Das ist mir ein zu moralisierendes Urteil, das ich für falsch halte.

Anders herum: Wenn Ihre Beschreibung stimmt, wie kann die Gesellschaft die großen Themen wie Gentechnik, Leitkultur oder Familie mit solchen Politikern führen?

Ich rate der Gesellschaft dringend, diese Debatten nicht allein der politischen Elite zu überlassen, dann würden wir in der Tat in eine sehr schwierige Situation geraten. Wir brauchen den Dialog der unterschiedlichen Eliten von Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

Die Gesellschaft muss sozusagen ihre Politiker wieder zu mehr Inhalt erziehen?

Ja, und sie muss die Politiker zum Dialog zwingen. Das geht nur, wenn die Eliten sich in die politischen Debatten einmischen.

Sind Äußerungen[wie wir sie zum Ascher]

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