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Kultur: Liebe Triebe

„Intermezzo“ in der Berliner Bar jeder Vernunft

Vier junge Männer auf der Bühne: schwarzer Anzug, schwarze Krawatte, sehr schick. Nur bei einem stimmt das Outfit nicht ganz, er hat keine Hose an. Die Lacher verstummen schnell, stoisch beginnt die A-Cappella-Gruppe „Intermezzo“ Popsongs wie „Kiss“ oder „Material Girl“ zu singen. In bestechendem Satzgesang, als wäre nichts passiert. Der Witz kommt durch die Hintertür. Offensichtlichkeit sei nicht ihre Sache, sagt Clemens Schmuck später, der einzige Deutsche in der holländischen Comedy-Band.

Dennoch heißt die aktuelle Show in der Bar jeder Vernunft „Sex sells“. Ein ironischer Titel, Sex sollte ursprünglich an diesem Abend gar nicht vorkommen. Bei der Premiere hauchen die vier Klangartisten dann aber doch genüsslich „Je t’aime“, kurz darauf wird sich unter lautem Stöhnen mit einer Blondine aus dem Publikum auf dem Wasserbett gewälzt. Subtiler ist das Spiel um die Potenz beim „Ave Maria“: Die Sänger halten Mönchsstäbe in der Hand, neidvolle Blicke gelten dem Kollegen mit dem längsten Exemplar. Sex ist allgegenwärtig, den Trieben wird Tribut gezollt, trotzdem geht der Show im ersten Teil immer wieder die Luft aus.

Die Mitglieder von Intermezzo verfügen über gut ausgebildete Allroundstimmen. Die Geschichte der Band begann vor 13 Jahren am Konservatorium von Utrecht, vor drei Jahren formierte sich die Truppe neu. Jeffrey Zudhy, früher bei „Montezumas Revenge“, ragt vokalistisch heraus, Clemens Schmuck fungiert als lebende Beatbox.

Nach der Pause wird der Abend mitreißend, auch dank einem derben Bauerntanz mit holländischen Bewegungsanweisungen. Wouter Kronenberg und Merijn Dijkstra brauchen die Kommandos nicht einmal zu übersetzen, im stickig heißen Zelt gelingt es ihnen locker, das Publikum zum Mitmachen zu bewegen. Von MC Hammers Rap-Hit „Word Up“ wechseln Intermezzo direkt zum „Vater Unser“ in Kirchenrussisch, von „Girls Just Wanna Have Fun“ zu mongolischen Obertongesängen. Mitunter wirkt der Abend ein wenig zu steif und durchkomponiert, doch die Exaktheit der Stimmimitationen ist immer wieder frappierend. Sogar mit selbstgeschriebenen Songs in der Fantasiesprache Gibberish schaffen es die Sänger, afrikanischen Gesang zu evozieren – und sogar für den Kontinent typische Trommeln zu imitieren.

Bis zum 6. August in der Bar jeder Vernunft, Schaperstr. 24, Di. bis Do. 20.30, Fr. bis So. 20 Uhr.

Sarah Hofmann

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