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Helge Achenbachs prallgefülltes Bilderlager ist Schnee von gestern. Es wurde aufgelöst, seine Kunst kam in eine Auktion.

© Bildersturm Filmproduktion

Film über einen Kunst-Zampano: Aufstieg und Fall des Helge Achenbach

Der Film „Der Illusionist“ beobachtet die Selbstheilungskräfte Achenbachs, der wegen Betrugs an den Aldi-Erben im Gefängnis saß.

Ein Sturmtief und die Verhaftung von Helge Achenbach – sie fielen auf denselben Tag. Die persönliche Apokalypse des großen Kunsthändlers, der den Aldi-Erben Berthold Albrecht um Millionen betrogen hat, fand 2014 auf dem Rollfeld des Düsseldorfer Flughafens statt. Achenbach und seine damalige Ehefrau Dorothee fielen aus allen Wolken. Sie, weil sie nichts wusste. Er, weil er völlig aus den Augen verloren hatte, dass gefälschte Rechnungen für Kunst und Oldtimer Konsequenzen haben können. Zu beschäftigt war er mit Partys, eigenen Restaurants und den großen Deals im internationalen Kunstbetrieb. Eine Welt, in der hunderttausend Euro mehr oder weniger nicht ins Gewicht fallen.

Zu sechs Jahren Haft wurde Achenbach für Betrug und Urkundenfälschung an Albrecht verurteilt. In ihrem Dokumentarfilm „Der Illusionist“, den die Kölner Filmemacherin Birgit Schulz über Helge Achenbach gedreht hat, sieht man ihn im Gefängnis, malend, einmal auch mit Tränen in den Augen. Achenbachs Job sei es gewesen, die Duschen im Sportraum sauberzumachen, erzählt ein Angestellter.

Achenbach saß vier Jahre in JVA Essen

Birgit Schulz hat eigene Szenen mit dem 2018 aus der Haft entlassenen Achenbach aufgenommen. Sie nutzt aber auch Archivmaterial, das ein Fernsehsender über den erfolgreichen Kunsthändler gedreht hat und nach dessen Verhaftung nicht mehr brauchen konnte. In Essen, dem Aldi-Stammsitz, haben sie Achenbach verknackt. Um 60 bis 120 Millionen Euro soll es gegangen sein. Heute dürfe er 950 Euro im Monat besitzen, sagt Achenbach in die Kamera. Auf 16,1 Millionen Euro Schadenersatz blieb er sitzen.

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Birgit Schulz will dem Menschen auf die Spur kommen. Und der Frage, ob dieser Helge Achenbach ein Betrüger, ein Gentleman, ein hoffnungsloser Narzisst oder genialer Hund ist? Alle Optionen stehen im Raum, wenn Achenbach über sich spricht; oder Weggefährten wie Ex-Bild-Chef Kai Diekmann über ihn erzählen. Achenbach kann vor allem eins: Er kreiert Situationen, in denen eigentlich alle gewinnen – inklusive er selbst, versteht sich.

Achenbach hat den Beruf des Art Consultants quasi erfunden, er hängt Firmenzentralen voll mit Kunst von Stars wie Gerhard Richter oder Thomas Struth. Victoria Versicherung, IBM, Volkswagen. Als nach der Finanzkrise Konzerne weniger Kunst kaufen, schwenkt er um auf reiche Familien. Der Mann weiß, wie’s geht. Er hat die natürlich Gabe, den Reichen ein gutes Gefühl zu vermitteln. Und er profitiert davon, dass es im Kunstmarkt intransparent zugeht.

Wenn ein Milliardär wie Albrecht an einen Messestand kommt, verlangt ein Galerist gleich das doppelte, behauptet Achenbach. Der, der im Film die Galeristenehre hochhalten soll, ist ausgerechnet der Berliner Johann König, der inzwischen einige seiner Top-Künstler:innen verloren hat, weil er seine Macht bei nächtlichen Grapschereien missbraucht haben soll (was nie gerichtsfest geworden ist). In dem Film sieht man König im Podcast mit Achenbach, die beiden liegen sich ein bisschen quer: der junge Galerist, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, Preise nachvollziehbar zu machen, und Achenbach, dessen Spiel nun mal darauf beruht, dass sie es nicht sind.

Premiere in Berlin ohne Achenbach

Als der Film in Berlin vorgestellt wurde, war Johann König auf der Bühne, um über seinen Freund Helge und die Gepflogenheiten am Kunstmarkt zu erzählen. Dass Rechnungen auf dem Weg vom Händler zum Sammler teurer werden, ist gängige Praxis – wenn auch nicht bei König. Achenbach fehlt an dem Abend. Angeblich hatte ihn der Bahnstreik davon abgehalten, nach Berlin zu reisen. Peinlich sei ihm der Film nicht, versichert Regisseurin Birgit Schulz. Bei den Premieren im Rheinland war er anwesend.

Obwohl Achenbach genau erklärt, wie er die erste Rechnung an Albrecht manipuliert hat, wird nicht ganz deutlich, ob er die Steuern auf seine Albrecht-Gewinne abgeführt hat. Das Publikum am Premierenabend diskutiert, ob Achenbach weniger schlimm ist als ein Steuerbetrüger wie Uli Hoeneß oder der Kunstfälscher Beltracchi, der vorsätzlich alle Welt betrog – und nicht nur ein paar Milliardäre, die ja durch ihn, trotz der hunderttausend Euro, die er unter Umständen draufschlug, immer noch gute Preise bekamen.

Der Film lässt aber auch die tragische Seite nicht aus: Achenbachs Ex-Frau hat Privatinsolvenz angemeldet. Ein teures Geburtstagsgeschenk ihres Mannes, womöglich der unerlaubte Guss einer wertvollen Skulptur, brachte auch sie vor Gericht.

Heute lebt Achenbach auf einem Bauernhof in Karst nahe der Autobahn, der ihm nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis angeboten worden war. Er will dort einen Skulpturengarten aufziehen. Und nicht nur dort, sondern an fünf weiteren Standorten in Europa. Gefeiert wird mit der Dame von der örtlichen Sparkasse, nicht mehr mit dem Volkswagen-CEO. Der Kunstpädagogin, die seine Malerei im Gefängnis betreute, schickt er einen „radikal ehrlichen“ Brief, in dem er ihr sagt, ihre Kunst sei nicht gut genug für seinen Garten. Ob der Mann sich geändert hat? Eher nicht. Und das Spiel mit Kunst, Spekulation und Millionen, das er miterfunden hat, läuft auch ohne ihn weiter.

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