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Fiel aus dem Rahmen: Matthias Senkel.

© Promo

Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt: Favorit gesucht

Am Sonntag wird es soweit sein, am Mittag geben die Jurymitglieder ihr Votum ab. Wer wird den Wettbewerb gewinnen? Es bleibt spannend, denn ein klarer Favorit fehlt.

Wer dieser Tage auf dem Neuen Platz in Klagenfurts Zentrum steht, könnte auf den Gedanken kommen, dass die ganze Kärntner Hauptstadt im Zeichen der Literatur, im Zeichen des 36. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs steht. Ein riesengroßes Banner mit dem Hinweis auf die vier Tage der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur hängt am Rathaus. Und auf dem Weg zum Wörther See bestätigt die Live-Übertragung des Wettbewerbs im Café am Lendhafen diesen Eindruck.

Der relativiert sich aber spätestens am See wieder, denn da ist Klagenfurt vor dem Hauptportal des Wörthersee-Schwimmbads nicht mehr die Hauptstadt der Literatur, sondern, wie ein unübersehbare angebrachtes Schild stolz verkündet: „The Capital of Beachvolleyball“.

Hier der Vergnügungs- und Alltagsraum, dort der Literaturraum - dazwischen wechselt der Besucher des Bachmann-Wettbewerbs hin und her. Er hält aber primär natürlich den Literaturraum für den Nabel der Welt. So fragt man sich dieser Tage im Geläuf vor dem ORF-Studio vor allem, ob der diesjährige Wettbewerb ein guter war? Oder doch ein eher mittelprächtiger bis gar nicht mal so guter? (Alte Bachmannwettbewerbshasen sagen: ein typischer!)

Und man fragt sich, wer ihn wohl gewinnt, wenn am Sonntag zwischen elf und zwölf Uhr die Jurymitglieder ihr Votum abgeben? Der letzte Tag mit vier weiteren Teilnehmern brachte einmal mehr keinen eindeutigen Favoriten hervor.

Nach den Statements der Jurymitglieder müsste eigentlich Olga Martynova das Rennen machen. Überschwänglichkeit war nach ihrer Lesung Trumpf. Doch enthielten sich zwei der sieben Jurymitglieder überhaupt eines Urteils, was für Spekulationen sorgt: schweigende Zustimmung? Oder schweigendes Missfallen, das nicht artikuliert werden sollte, warum auch immer.

Dominiert wurde das Bachmann-Lesen 2012, das lässt sich vorab resümieren, von Coming-Of-Age-Geschichten, von Kindheits- und Jugenderinnerungen (und von Tieren, zumeist toten, toten Hunden, toten Kätzchen, toten Hühnern, oder von imaginierten wie den Keller- und Killerechsen bei Hugo Ramncek). Auch am Samstagvormittag war das so. Der 1979 in Polen geborene Matthias Nawarat las mit „Unternehmer“ eine feine, postapokalyptisch anmutende Familien- und Pubertätsgeschichte vor; der im japanischen Hiroshima lebende Schriftsteller und Übersetzer Leopold Federmair ließ eine Ich-Erzählerin sich an ihre Freundschaft mit einem Jungen namens Aki erinnern, so auch der Titel der würzigen, zupackenden Erzählung.

Aki hat nichts anderes als Musikmachen im Kopf, so wie Bob Dylan oder Joni Mitchell, wird aber schließlich Bankangestellter. Und auch in dem kitschigen, sprachschwülstigen Text der Österreicherin Isabella Feimer ging es viel um die Kindheit: „Aber ich hatte eine glückliche Kindheit, sage ich, jeder Mensch, sagst du, hat eine schreckliche Kindheit, irgendetwas ist immer, und wenn es nur der Goldfisch ist, der mit leeren Augen an der Wasseroberfläche treibt.“ 

Nur der Leipziger Matthias Senkel fiel mit seiner manchmal witzigen, aber doch etwas schlapp vorgetragenen Literaturbetriebssatire an diesem Samstag aus dem Rahmen. Die Burkhard Spinnen mit dem Satz kommentierte, er habe eine Abneigung gegen Texte über literarische Schaffenskrisen, ihm ginge das als Autor jeden Tag nach dem Aufwachen selbst so.

Ja, Spinnen hat es nicht leicht, das zeigte er die drei Tage immer wieder. Wiederholt wies er darauf hin, dass er seit über zwanzig Jahren Bücher schreibe. Gut, dass er beim Bachmannpreis ein Forum hat. Die Abneigung, die Daniela Strigl nach dem Text von Isabella Feimer publik machte, war da um einiges sympathischer: „Ich habe eine Allergie gegen das Abschlagen von Hühnerköpfen in Texten“. 

Feimer und Federmair dürften es schwer haben, in die Auswahl für die Preise am Sonntag zu bekommen. Matthias Senkel ist ein Kandidat für den Publikumspreis. Und Matthias Nawrat wird mit im Rennen um die vier anderen Preise sein: Bachmann-Preis (25 000 Euro), Kelag-Preis (10 000 Euro), 3-Sat Preis (7500 Euro) und Ernst-Willner-Preis (5000 Euro). Wer noch dabei ist: sicher Olga Martynova, dann Andreas Stichmann, Stefan Moster, Lisa Kränzler, Cornelia Travnicek und Inger-Maria Mahlke. 

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