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Kultur: Die Rolle ihres Lebens

„Mädchen am Sonntag“: Vier Schauspielerinnen erzählen von sich selbst

Der Strand ist weit, und kalt pfeift der Wind. Der Wald ist groß, und es regnet. Grün sind die Wiesen in Bayern, und bei Nicolette Krebitz zu Hause lodert der Kamin. Sie haben sich in Schal und Mütze eingemummelt, die Mädchen, oder versinken in der Badewanne, bis ihnen der Schaum über den Kopf wächst. Hängen das Gesicht beim Fahren aus dem Fenster, und der Wind zerzaust das Haar. Schlendern durch die Berliner Gemäldegalerie, ein Raum nach dem anderen, und bleiben nicht einmal vor einem Bild stehen. Und zoomen mit der Digitalfilmkamera herum, zielen aufs Kameraauge wie mit einer Waffe: Schuss und Gegenschuss.

Vier Schauspielerinnen, vier Orte, vier Jahreszeiten, vier Episoden. Im improvisationsnahen Stil der 99 Euro Films – und für das Label – hat RP Kahl („Silvester Countdown“) ein Low-Budget-Experiment gestartet, vage angelehnt an den frühen deutschen Filmklassiker „Menschen am Sonntag“. Ein Experiment, allerdings ein glänzend besetztes: Die vier Schauspielerinnen, die sich auf das Spiel mit der Kamera eingelassen haben, sind im deutschen Film der letzten Jahre gefeiert worden – und im Theater dazu.

Katharina Schüttler zum Beispiel, die in Michael Hofmanns Debüt „Sophiiiie!“ durch eine wilde Nacht schlittert, wird gerade als zickig-berechnende Hedda Gabler an der Berliner Schaubühne bejubelt, Laura Tonke war zuletzt in Michael Kliers „Farland“ zu sehen, Inga Birkenfeld, die wohl noch Unbekannteste der vier, wird demnächst in Florian Henckel von Donnersmarcks gerade beim Bayerischen Filmpreis gefeierten „Das Leben der anderen“ zu sehen sein, und Nicolette Krebitz hatte irgendwann genug von der Schauspielerei und drehte ihren eigenen Film „Jeans“. Früher Ruhm und schneller Erfolg – doch so ganz glaubt keine von ihnen daran, dass das Leben hält, was es bislang versprochen hat.

Da erzählen sie nun von ihren Wünschen und Träumen: ein bisschen naiv, ein bisschen allürenhaft-selbstbewusst und ziemlich unsicher. Denn die Angst, dass sich der Traum von der Schauspielerei als Seifenblase erweisen würde, taucht in jedem Gespräch auf. Sie habe immer erwartet, jetzt steht Frank Castorf auf und sagt, das war’s, du kannst es nicht, erzählt Laura Tonke von ihren Erfahrungen an der Volksbühne. Auch die Sorge, dass plötzlich keine Rolle mehr nachkommt, dass das Geld vielleicht reicht, um einige Monate zu überbrücken, aber dann nicht mehr, teilen alle. Und das Warten auf das nächste Angebot, das Problem der vielen freien Zeit.

Vielleicht kuscheln sie sich deshalb so sehr in ihre Schals und Mützen, treten betont burschikos auf, panzern sich mit Coolness und einer gewissen mädchenhaften Mauligkeit, diese jungen Frauen, die die Rolle ihres Lebens noch nicht gefunden haben. Die im Film so verheißungsvoll sind und im Leben so unfertig. Julia Hummer, auch eine dieser Mädchenfrauen, hätte gut in die Reihe gepasst. Man wünscht sich doch, dass er endlich erwachsen werden möge, der deutsche Film. Und seine Darstellerinnen mit ihm.

Blow Up, Hackesche Höfe, Kant

Christina Tilmann

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