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Kultur: Dichterleid

„Hoffmanns Erzählungen“, eine Parodie im HAU

Man befindet sich im Hintergrund einer „Don Giovanni“-Aufführung. Ungeachtet jener abgeschirmten Bühnendarbietung sind Theaterleute mit sich beschäftigt. Der Korrepetitor am Klavier korrigiert nicht zu Unrecht einen Bariton: „Ich verstehe kein Wort!“ Da plumpst durchs Türchen von der Bühne rücklings ein Herr in edlem Rokokokostüm herunter, zweifellos der soeben von Giovanni erstochene Komtur aus der Mozartoper.

Dass somit das Theater nicht in Lutters Weinkeller, sondern im Theater selbst beginnt, ist eine gefällige Idee des Regisseurs Florian Lutz, nahe an der „Don Juan“-Novelle von E.T.A. Hoffmann mit dem Dichter in seiner Fremdenloge. Hoffmann als Held seiner eigenen Erzählungen ist in der Dramaturgie von Produktionsleiterein Janka Voigt ein abgehobener Spinner, Stella, seine Angebetete, dagegen eine reüssierende Sängerin.

Die drei Metamorphosen der Frau, die er in sie hineinprojiziert, stellen „Hoffmanns Erzählungen“ im HAU 1 als Träumereien hinter der Bühne dar. Dem Mann am Klavier, Rainer Killius, verdankt sich die musikalische Fassung, ein reduzierter Jacques Offenbach, listig instrumentiert mit Spielern auf der Szene und einem Orchesterchen unter Barbara Rucha. Im Arbeitsambiente des Raums (Fabienne Müller und Lena Fay) wird ein gläserner Kasten herumgefahren, der Künstlergarderobe oder Zimmer ist.

Locker, locker, so kreisen bei den Bühnenleuten schon mal die Bierflaschen. Viele singen mehrere Rollen, sogar der Pianist macht als Diener mit. Die Ensembles haben erstaunliche Qualität. Hoffmann gerät unter viel Nebel an seine Frauenbilder: die Puppe Olympia, hier ein geschickt manipulierter Automat, den ein Luftballon am Leben hält. Der Dichter in tragikomischer Lage. Die Sängerin Antonia sitzt im Etuikleid neben dem Jeansträger Hoffmann in ihrem Wochenendhäuschen, Vater (hervorragend: Martin Gerke) grämt sich, Rasenmäher stört, während es um Leben und Tod geht.

Über diesem Stück bürgerlicher Realität waltet per Video (Design: Hannah Doerr) als Großer Bruder der mephistofelische Lenker des Ganzen, bekannt als Lindorf, Coppelius, Dapertutto, Mirakel. Wie ein smarter Vertreter tritt Tye Maurice Thomas dann leibhaftig ins Haus, mit kräftigem Rohr ein unfertiger Sänger, der als böser Zauberer seinen Spaß genießt. Mit ihm paktiert eine königliche Theatererscheinung, die untote Mutter Antonias (stimmliche Erfrischung: Alexandra Parshina). Giulietta, die Hure, die dauernd Geldscheine in ihrer Tasche zählt, treibt den Liebesbetrug weiter, bis Hoffmann sich im Theater wiederfindet.

Die Requisiten werden aufgeräumt, dem armen Poeten bleibt ein großes Fass Punsch. Abendfüllend meistert Yuka Yanagihara die Partien der vier Mädchen, mutig und lieblich im Gesang, während Jens Krogsgaard in der Titelrolle, durch Indisposition entschuldigt, dennoch viel Einsatz mitbringt.

Eine Aufführung mit Werkstattcharakter, witzig hier und da, engagiert überall, aber enttäuschend in der Ausstrahlung. Die Bretter bedeuten in diesem Fall nicht die ganze Welt der Partitur. Die hat Flair, Milieu, Duft, Parfüm – wie das Hebbeltheater, in dem sie gespielt wird.

Hebbel am Ufer, wieder am 7., 9., 11. 1.

Sibyll Mahlke

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