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Arbeitskampf: Deutsche Orchester wollen streiken

Mehr als 100 Kommunal- und Staatsorchester Deutschlands wollen in den nächsten Wochen die Instrumente für einen Arbeitskampf beiseite legen. Die Musiker sehen ihre Gehälter im "sinkenden Gleitflug".

Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) - der Berufsverband und die Gewerkschaft der Orchestermusiker - kündigte erstmals seit 1995 Warnstreiks an. Die zunächst befristeten und nicht flächendeckenden Arbeitskampfmaßnahmen sollen bereits in den nächsten zwei Wochen beginnen. Die Orte wurden noch nicht genannt. Ausgenommen sind Berlin und Hessen wegen eigener Tarifstrukturen. Die DOV protestiert gegen "massive Versuche der Arbeitgeberseite, die Orchester von der Tarifentwicklung des öffentlichen Dienstes abzukoppeln", betonte DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens auf der Jahrespressekonferenz seines Verbandes.

In der Vergangenheit seien die Vergütungen der Orchester immer an den öffentlichen Dienst gekoppelt gewesen. "Die Orchester müssen an der durchschnittlichen Einkommensentwicklung teilnehmen, sonst droht ein "gleitender Sinkflug" ihrer Gehälter." Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verlangt bei den anstehenden Tarifverhandlungen acht Prozent mehr Lohn im öffentlichen Dienst beim Bund und den Kommunen, was der Deutsche Bühnenverein (Köln) für seinen Bereich abgelehnt hat. "Acht Prozent Lohnerhöhungen kann kein Theater oder Orchester in der Bundesrepublik selbst erwirtschaften", meinte dazu der Direktor des Bühnenvereins, Rolf Bolwin. Auch ein weiterer Personalabbau zur Finanzierung der Lohnerhöhungen sei nicht mehr möglich, nachdem in den letzten 13 Jahren bereits über 7000 Stellen abgebaut worden seien.

"Subtile Mittel" des Arbeitskampfes angepeilt

Dagegen meint die Deutsche Orchestervereinigung, es sei "nicht einzusehen, dass die Verwaltungsangestellten und Bühnenarbeiter in den Staats- und Stadttheatern die normale Tariferhöhung des öffentlichen Dienstes bekommen und dass die Künstler diesen berechtigten Inflationsausgleich nicht oder jedenfalls nicht in voller Höhe erhalten sollen". Das nehme die Orchestervereinigung nicht hin.

"Wir sind bereit und werden Stärke zeigen", betonte der DOV- Vorsitzende Hartmut Karmeier. Der Organisationsgrad liege bei 95 Prozent, "weltweit einer der höchsten, wir haben also genügend Durchsetzungskraft". Mit den Warnstreiks solle das Publikum möglichst nicht getroffen werden. "Wir sind Künstler und haben sehr viel Fantasie", meinte DOV-Geschäftsführer Mertens dazu. "Es gibt bei uns auch sehr subtile Formen des Arbeitskampfes zum Beispiel bei den Proben." Vielleicht begännen auch manche Aufführungen etwas später oder es seien bei Beginn eines Konzertes noch nicht alle Musiker auf dem Podium oder umgekehrt wie bei Hadyns "Abschiedssymphonie", in der die Musiker nacheinander die Bühne verlassen und die Beleuchtung an ihrem Pult ausmachen und die übrigen Kollegen mehr und mehr im Dunkeln zurücklassen.

Die Zahl der öffentlich geförderten Orchester in Deutschland hat sich mit 133 stabilisiert. Während die Zahl der Planstellen in den neuen Bundesländern in den vergangenen zwei Jahren um 26 auf 3372 erneut zurückgegangen und 2008 dort ein weiterer Abbau zu erwarten sei, war in den alten Bundesländern erstmals seit 1992 wieder ein leichter Anstieg um elf auf 6665 Planstellen zu beobachten.  (ho/dpa)

Mehr Infos: www. dov.org 

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